Gemeinnütziger Journalismus
Wirkung zeigen

Stiftungen fördern zunehmend journalistische Recherchen. Im Gegenzug erwarten sie Impact. Aber wie lässt sich der messen?

von Anna Driftschröer

„Seit der Veröffentlichung der Panama Papers vor vier Jahren sind in Deutschland rund 2000 Ermittlungsverfahren eröffnet worden“, schrieb die Süddeutsche Zeitung am 3. April 2020. Gemeinsam mit 100 anderen Medien weltweit hatte die Zeitung vier Jahre zuvor ein System aus 214.000 Briefkastenfirmen enthüllt. Die Folgen: Ermittlungen gegen Beschuldigte, Rückforderung von Steuergeldern in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro, gesellschaftliche Debatten über Steuerschlupflöcher, Proteste gegen Politiker und Regierungsmitarbeiter bis hin zu prominenten Rücktritten wie des isländischen Ministerpräsidenten Gunnlaugsson.

bomb

Nicht jede Recherche schlägt ein wie die sprichwörtliche Bombe. Ist sie deshalb weniger förderungswürdig? / Bild: „bomb“ by saxarocks is licensed under CC BY-NC-SA 2.0

Recherchen mit Auswirkungen dieser Größenordnung sind selten. Immer häufiger jedoch rückt eben jene Wirkung bei der Bewertung kritischer Berichterstattung in den Mittelpunkt. Das gilt vor allem für den Bereich des gemeinnützigen, stiftungs- bzw. spendenfinanzierten Journalismus. So strebt in Deutschland das gemeinnützige Recherchebüro Correctiv in seinen „Recherchen für die Gesellschaft“ nach größtmöglichem Impact (engl. Wirkung, Einfluss). Es sind insbesondere Stiftungen, die den Trend der Wirkungsmessung maßgeblich vorangetrieben haben – allen voran die US-amerikanischen Journalismusförderer. Denn auch wenn Stiftungen das Gemeinwohl im Blick haben, frei von einer Agenda sind sie deshalb nicht. Sie möchten am Ende schon wissen, ob ihre Förderung der Erreichung der eigenen Ziele dient oder nicht.

Aber lässt sich die Wirkung von journalistischen Recherchen jenseits von Klicks überhaupt messen? Wie definieren geförderte Medien „Impact“ und welche Erwartungen haben Stiftungen an die Geförderten? Wird Wirkung gar zu einer neuen Qualitätsnorm im deutschen Journalismus?

Im Rahmen einer Studie hat die Autorin Journalisten von gemeinnützigen Medienorganisationen und -programmen sowie Vertreter von Stiftungen, die diese Medien fördern, gefragt, was sie in ihrer Arbeit genau unter Impact verstehen und welche Rolle Wirkung im gemeinnützigen Journalismus und bei dessen Förderung spielt.

Impact als gesellschaftliche Wirkung

Die Aussagen von Journalisten und Stiftungsvertretern machen deutlich, dass Impact für die Mehrheit der Befragten eine Wirkung in die Gesellschaft darstellt, die im besten Fall zu einer gesellschaftlichen oder politischen Veränderung führt. Wissenschaftsjournalismus kann etwa das Publikum aufklären, einen öffentlichen Diskurs entfachen und so dazu führen, dass Menschen ihre Meinung ändern. Im investigativen Journalismus gelten insbesondere direkte Veränderungen wie Gesetzesänderungen oder der Einsatz eines Untersuchungsausschusses als Impact, während im Cross-Border-Journalismus vor allem Bewusstseinsbildung beim Publikum angestrebt wird. Teilweise wird Impact aber auch als Wirkung auf die Zielgruppe, den Einzelnen oder die Organisationsentwicklung angesehen.

„Unserer Ansicht nach kann und sollte Journalismus dazu beitragen, die Verhältnisse, die er kritisiert, auch zum Besserem zu verändern“

Insgesamt zeigt sich, dass Impact für die gemeinnützigen Medienorganisationen von großer Bedeutung ist. Die befragten Journalisten erklären dieses Streben nach Wirkung in erster Linie mit ihrem Rollenverständnis. Sie sehen ihre Aufgabe darin, Missstände aufzudecken und faktenbasierte Informationen bereitzustellen, damit sich Bürger an demokratischen Prozessen beteiligen, Einfluss auf politische Entscheidungen ausüben und gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen. „Unserer Ansicht nach kann und sollte Journalismus dazu beitragen, die Verhältnisse, die er kritisiert, auch zum Besserem zu verändern“, sagt Elisa Simantke, Editorial Director von Investigate Europe. Dabei orientieren sich die gemeinnützigen Medienorganisationen in ihrer journalistischen Arbeit am Gemeinwohl.

Wirkung legitimiert die Förderung

Impact ist nicht nur der Anspruch der Journalisten an die eigene Arbeit, sondern rechtfertigt letztlich ihre Finanzierung durch Stiftungen und Spender. Damit Medienorganisationen Förderer für sich gewinnen können, ist es essenziell, Impact zu erzielen und diesen gegenüber den Stiftungen nachweisen zu können. Denn, wie die Aussagen der Stiftungsvertreter zeigen, spielt Impact für einige Stiftungen eine große Rolle bei der Vergabe oder Fortsetzung einer Förderung. Er gibt den Förderern Aufschluss darüber, ob die Ressourcen der Stiftung effizient eingesetzt werden. „Werden wir unser Ziel in der Gesellschaft damit in der Zukunft erreichen oder müssen wir andere Maßnahmen ergreifen?“, erklärt Lukas Harlan von der Schöpflin Stiftung, die unter anderem Correctiv fördert. Zugleich sind Medienorganisationen bei nachweisbarem Impact in der Lage, ihre Relevanz öffentlich herauszustellen und sich in der umkämpften Medienlandschaft zu positionieren.

Meilensteine vorab festhalten

Insbesondere bei Strukturförderungen, die eine längere Laufzeit haben und bei denen die Gelder vergeben werden, ohne dass dafür vorher eine bestimmte Verwendung vereinbart wird, schreiben Stiftungen dem Impact der von ihnen geförderten Medienorganisationen eine hohe Bedeutung zu. Vorab vereinbaren sie gemeinsame Ziele und Entwicklungsschritte, sogenannte Meilensteine, mit den Fördernehmern und verfolgen während der Förderlaufzeit kontinuierlich die Wirkung. In regelmäßigen Abständen besprechen die Stiftungen mit den Fördernehmern anhand von Indikatoren, inwieweit die Ziele erreicht wurden. Teilweise seien die Absprachen auch quantifiziert, sagt Stephanie Reuter, Geschäftsführerin der Rudolf Augstein Stiftung, die unter anderem Investigate Europe fördert. Weil die Redaktion eine Vielzahl an Förderern gewinnen konnte, gibt es keine individuellen Absprachen zwischen den Medienorganisationen und jedem einzelnen Förderpartner. Stattdessen legen alle Unterstützer zusammen mit der Medienorganisation gemeinsame Entwicklungsschritte fest.

Bei Projektförderungen, die in der Regel eine kürzere Laufzeit haben und sich durch zweckgebundene Mittel kennzeichnen, spielt die gesellschaftliche Wirkung eher eine untergeordnete Rolle. Die Stiftungen unternehmen während der Förderung kaum Versuche zur Wirkungsmessung oder -beobachtung. Zwar streben auch sie nach Impact, bezweifeln aber, dass die Medienorganisationen in wenigen Monate bereits eine sichtbare Wirkung entfalten können.

Grundsätzlich stehen die Stiftungsvertreter und Journalisten durch einen regelmäßigen Austausch in einem eher engen Kontakt und pflegen den Stiftungsvertretern zufolge ein eher offenes und vertrauensvolles Verhältnis. Denn neben den monetären Mitteln umfassen die Förderungen den Stiftungen zufolge auch, den geförderten Medienorganisationen als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen, zu beraten, wenn sie gefragt werden, und ihnen Zugang zu ihren Netzwerken zu geben, etwa zu anderen Medienorganisationen, möglichen Unterstützern, Förderern oder Alumni.

Geeigenete Indikatoren für Impact Messung

Als „Beleg“ für die Förderer, aber auch zur Reflektion der eigenen Arbeit, messen alle Medienorganisationen in der Studie ihre Wirkung – einige mehr, andere weniger tiefgehend. Dazu führen sie eigene Erhebungen durch, analysieren das Nutzerverhalten mit Tracking Tools und nehmen Reaktionen aus der Öffentlichkeit wahr. Quantifizierbare Indikatoren wie Reichweite, Verweildauer und Reaktionen auf Social-Media-Kanälen stellen für die Journalisten erste Anzeichen von Wirkung dar. Einig sind sich die Journalisten darüber, dass Impact aber noch darüber hinaus geht. Daher ziehen sie auch qualitative Indikatoren wie Zitationen, Referenzen zu einer Veröffentlichung und sämtliche offline Reaktionen heran, etwa Einladungen, als Experte im Parlament oder auf Podiumsdiskussionen über ihre Recherchen zu sprechen. Gesellschaftliche Wirkung ist den Journalisten sowie Stiftungsvertretern zufolge nur begrenzt messbar, da sich einige Formen von Impact nur schwer erfassen lassen und sie mitunter erst nach einiger Zeit in Erscheinung treten. Zudem können sichtbare Wirkungen auch durch andere Faktoren zustande gekommen sein.

Maß zur Wirkungsmessung finden

Trotz der weit verbreiteten Praxis der Impact-Messung warnen die Journalisten und Stiftungsvertreter davor, Wirkung und Impact-Messung eine zu hohe Bedeutung zuzuschreiben. Wenn gemeinnützige Medienorganisationen sich nicht mehr von der gesellschaftlichen Relevanz, sondern vom Interesse des Publikums leiten lassen, würde der gemeinnützige Journalismus seiner Wächter-Funktion nicht mehr nachkommen. Laut Oliver Schröm, ehemaliger Chefredakteur von Correctiv, sei es gerade die Aufgabe der öffentlich-Rechtlichen und gemeinnützigen Organisationen, Geschichten zu recherchieren, die nicht Mainstream sind und mit denen sich nicht so leicht Auflage (oder Quote) machen lässt – die aber von enormer Bedeutung sind. Daher fordern einige Journalisten sowie Stiftungsvertreter, mit den Förderpartnern gemeinsam ein geeignetes Maß der Wirkungsmessung zu finden.

Den Journalisten zufolge dürften Stiftungen keine zu hohen Erwartungen an ihre Förderpartner stellen. Volker Stollorz, Redaktionsleiter und Geschäftsführer des Science Media Center, sagt: „Förderer müssen verstehen, dass das mit dem Impact eine schwierige Sache ist und dass nicht in kurzer Zeit ein Wirkungsnachweis erbracht werden kann.“

Wissenschaftliche Methode
Die Studie entstand im Rahmen einer Masterarbeit bei Message-Herausgeber Prof. Dr. Volker Lilienthal am Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg. In qualitativen Leitfadeninterviews befragte die Autorin Experten aus dem gemeinnützigen Journalismus und Förderinstitutionen. Teilgenommen haben im Sommer 2019 sechs Journalisten der Medienorganisationen bzw. -programme Correctiv, Investigate Europe, Riff Reporter, Science Media Center und Reporters in the Field sowie fünf Vertreter der Schöpflin Stiftung, Rudolf Augstein Stiftung, ZEIT-Stiftung, Klaus Tschira Stiftung und der Robert Bosch Stiftung. Die Befragung thematisierte die Gemeinnützigkeit der Organisation, die Definition und Rolle von Impact sowie die Praxis der Wirkungsmessung.

Anna Driftschröer ist Absolventin des Masterstudiengangs Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg. Sie arbeitet als Reporterin.

2. Juni 2020