#nr21 | Recherche
Du kommst hier nicht rein!

Politische Gruppen, Institutionen und Unternehmen bauen oftmals darauf, dass gewisse Informationen nicht nach außen getragen werden. Wie schaffen es Journalist:innen dennoch, in diesen „closed-shops“ zu recherchieren?

von Mara Haber

Oft reicht etwas Hartnäckigkeit aus, um Recherchen voranzutreiben. Aber in geschlossenen Milieus oder bei heiklen Themen wie Rassismus, Sexismus oder il­legalen Machenschaften sind Journalist:innen häufig doch auf Informant:innen angewiesen. Die muss man aber erst einmal ausfindig machen und dann davon überzeugen, Informationen preiszugeben.

Die richtigen Personen finden

„Viele Namen findet man durch schlaues Googeln“, sagt Luisa Hommerich. Sie arbeitet im Investigativ­ressort der Zeit und hat deutschlandweit zum Thema Mobbing in der Feuerwehr recherchiert. Über bereits vorhandene Berichterstattung, Anwält:innen, Ge­werkschaften, Lokalpolitiker:innen oder auch Frau­engruppen habe sie Betroffene ausfindig gemacht. „Strukturelle Probleme kommen durch persönliche Konflikte ans Tageslicht – da kann man ansetzen“, so die Erfahrung der Redakteurin.

Soziale Medien sind ebenfalls eine dankbare Quel­le. „Wenn man Themen vorsichtig anspricht, können diese hier bestätigt werden“, sagt Daniel Laufer, Re­dakteur bei netzpolitik.org. Er hat zu Missständen in Unternehmen recherchiert und Plattformen wie LinkedIn und Xing genutzt, um aktuelle oder ehe­malige Beschäftigte zu finden, die er anschließend anzapfen konnte.

Bei Rechten, Corona-Leugnern und anderen Rand­bewegungen steht hingegen der Messenger-Dienst Telegram hoch im Kurs – hier kann man als Recher­cheur leicht ansetzen. „Viele Leute verstehen Tele­gram nicht und denken, die Gruppen sind geschlos­sen“, sagt Sammy Khamis, Investigativreporter beim Bayerischen Rundfunk. Tatsächlich seien die meisten Gruppen aber öffentlich einsehbar. Mit der Browser-Extension „Tampermonkey“ und verschie­denen Codes ist es möglich, die persönliche ID von Nutzer:innen zu identifizieren und einzusehen, in welchen Gruppen eine Person aktiv ist und was er oder sie dort postet.

Der erste Kontakt

Sind potenzielle Ansprechpartner:innen gefunden, ist der nächste Schritt die Kontaktaufnahme. Im digi­talen Zeitalter geht hier viel online, der Streuverlust sei aber hoch, berichtet Laufer von netzpolitik.org. Wenn er keine Antwort bekommt, versucht er es vor Ort oder per Telefon: „Die wenigsten legen einfach auf und es kommt zumindest zum Gespräch.“

Der erste Kontakt muss dann gut überlegt sein. Zeit- Reporterin Hommerich, die für ihre Recherche mit den Opfern von Mobbing, Rassismus und Sexismus gesprochen hat, warnt: „Man darf diese Leute nicht überfallen.“ Ein erstes unverbindliches Treffen, um Fragen und Absprachen zum Vorgehen und Schutz der Informant:innen zu klären, könne dabei helfen, das Vertrauen der Person zu gewinnen.

Vertrauen als wichtiger Faktor

Zu einer guten Vertrauensbasis zählt auch der Schutz der Menschen. Auf technischer Seite kann zum Bei­spiel die Nutzung verschlüsselter Messenger wie Sig­nal hilfreich sein. „Es ist nicht unsere Aufgabe, Men­schen vor einer Dummheit zu bewahren. Wir können sie aber nicht sehenden Auges in eine Falle tapsen lassen“, sagt Buzzfeed-Reporter Marcus Engert.

Welche Maßnahmen tatsächlich getroffen werden, ist das Ergebnis einer individuellen Risikoabschät­zung. Generell gelte aber, die Ängste der Menschen ernst zu nehmen und zu berücksichtigen, so Engert. „Ansonsten spricht sich das rum und schadet fol­genden Recherchen.“

1. Juli 2021