#nr22 | Vielfalt
Diverse Probleme

Vielfalt braucht Veränderung. Beginnt das Problem der Homogenität bereits in der journalistischen Ausbildung?

von Elena Strittmatter

Dass deutsche Redaktionen die gesellschaftliche Diversität im Land nicht ausreichend abbilden, ist bekannt. Kurzfristig lässt sich das kaum ändern. Um auf lange Sicht eine größere Vielfalt herbeizuführen, muss der Berufszugang für People of Color und Nicht-Akademiker*innen durchlässiger werden. Das Problem haben die Verantwortlichen erkannt. Gelöst ist es noch nicht.

„Man muss irgendwie versuchen, in der öffentlichen Wahrnehmung klarzumachen, dass die Hürden nicht so hoch oder nicht so unüberspringbar sind“, sagt Henriette Löwisch, Leiterin der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München. Um in künftigen Ausbildungsjahrgängen mehr Diversität zu erreichen, wurden bisherige DJS-Absolvent*innen, die nicht aus klassischen Akademiker*innenhaushalten kommen, gebeten, „Tipps zu erarbeiten, wie wir stärker oder besser auf Vielfalt hin rekrutieren können“, sagt Löwisch. Außerdem sollen spezielle Angebote für potenzielle Bewerber*innen entwickelt werden, die vorher keine Berührungspunkte mit dem Journalismus hatten und deshalb eine Ausbildung bei der DJS gar nicht in Betracht ziehen.

Eine Frage des Geldes

Auch beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) kennt man die Problematik. „Einige junge Menschen kennen uns noch gar nicht oder haben uns bei der Berufswahl nicht im Blick“, sagt die Leiterin der Volontärsausbildung, Diana Dlugosch. Um eine größere Bandbreite potenzieller Bewerber*innen zu erreichen, steht an der Henri-Nannen-Schule das Auswahlverfahren auf dem Prüfstand. Schulleiter Christoph Kucklick und sein Team wollen herausfinden, ob die Ausbildung – auch hinsichtlich finanzieller Hürden – für alle zugänglich ist.

Die Schule zahlt in den ersten sieben Monaten eine Ausbildungsbeihilfe in Höhe von 645 Euro pro Monat, danach monatlich 1.500 Euro (zum Vergleich: der NDR zahlt seinen Volontär*innen 1.800 Euro im Monat). Zudem erhalten viele Schüler*innen laut Kucklick finanzielle Unterstützung in Form von Stipendien. Ohne die geht es auch an der DJS nicht. Die Ausbildung in München wird nicht vergütet, Anspruch auf BAföG haben auch nicht alle Schüler*innen. Ohne finanzielle Rücklagen oder Unterstützung – ob privat oder über eine Förderung – dürfte die Ausbildung in einer der teuersten Städte des Landes für viele unmöglich sein.

Mangelnde Medienkompetenz

Keine Hürde mehr sollte hingegen der Bildungsgrad sein. Wie bei der RTL-Journalistenschule ist auch an den anderen Ausbildungsstätten ein Studium nicht unbedingt erforderlich. Und dennoch muss Geschäftsführer Leonhard Ottinger feststellen: „Nach wie vor sind wir absolut akademisch geprägt.“ Auch Kuck­lick von der Nannen-Schule berichtet: „Der ganz überwiegende Teil unserer Schülerinnen und Schüler hat ein Studium.“ Bei Migrations- und sozialem Hintergrund sei man deutlich diverser.

Ursachen für die bisherige Homogenität beim Nachwuchs vermutet Ottinger unter anderem in fehlender Medienkompetenz bei Jugendlichen. Organisationen wie „Journalismus macht Schule“, die Schulbesuche von Journalist*innen vermitteln, hält Ottinger für eine gute Möglichkeit, Jugendliche aus unterschiedlichen sozialen Milieus für den Journalismus zu begeistern.

Außerdem müssen sich alle gesellschaftlichen Gruppen von den Medien angesprochen und ernstgenommen fühlen, um Akzeptanz und schlussendlich auch Identifikation mit dem Beruf zu schaffen. Neben Diversität auf personeller Ebene sind deshalb für Kuck­lick auch diverse Perspektiven bei den Inhalten wichtig: „Wie werden Themen bearbeitet, für wen werden sie bearbeitet und spielt dort Diversität eine Rolle oder nicht?“

12. Oktober 2022