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Abgucken erlaubt

Was kann der klassische Journalismus von YouTuber*innen wie Rezo lernen?

von Anna-Lena Limpert

Die „Zerstörung der CDU“ ging mit bislang mehr als 17 Millionen Klicks auf YouTube durch die Decke. Die anschließende Diskussion, ob Rezos Video als Journalismus anzusehen ist, flammte noch einmal auf, nachdem er dafür mit dem Nannen-Preis ausgezeichnet wurde. Er selbst schrieb in seiner ZEIT-Kolumne, dass sich klassische Journalist*innen von ihren YouTube-Kolleg*innen „eine gute Scheibe abschneiden können“. Was er genau meint, zeigt er in seinem Video „Die Zerstörung der Presse“ auf, in dem er Missstände im deutschen Journalismus anprangert.

Besonders gegenüber Falschbehauptungen und moralischen Entgleisungen der Regenbogen- und Klatschpresse fehle es an Distanzierung seitens der Qualitätsmedien, beklagt Rezo darin. Aber auch bei den Qualitätsmedien gebe es in Sachen Faktentreue noch Luft nach oben. Vor allem beim Thema Transparenz sieht er bei vielen Journalist*innen Nachholbedarf. Hier hätten einige YouTuber*innen einen höheren Anspruch als der klassische Journalismus. „Viele Menschen wollen nicht nur hören, wie es ist, sondern im Zweifel auch nachvollziehen können, woher diese Information stammt“, sagt Rezo in seinem Video.

In diesem Punkt stimmt Amelie Duckwitz, Professorin für Medien- und Webwissenschaft an der TH Köln, dem YouTuber zu: „Den Prozess der Informationsbeschaffung und -aufbereitung zu thematisieren“ müsse auch vielmehr von klassischen Medien praktiziert werden. Die vielfältigen technischen Möglichkeiten, zum Beispiel das Verlinken von Quellen, sollten vor allem im Online-Journalismus mehr ausgeschöpft werden.

Auf Augenhöhe

Die Offenlegung von Recherchepraktiken ist bei journalistischen YouTube-Angeboten bereits Standard. Unter ihren Videos verweisen etwa Mai Thi Nguyen-Kim oder Mirko Drotschmann, die mit den Kanälen maiLab und MrWissen2go Teil des öffentlich-rechtlichen Jugendangebots funk sind, durch Links in der Video-Beschreibung oder in externen Dokumenten auf ihre Quellen. So machen sie ihren Zuschauer*innen den Faktencheck leichter. Die funk-Reportage-Formate STRG_F oder Y-Kollektiv gehen noch einen Schritt weiter. Sie präsentieren ihren Zuschauer*innen nicht nur die Ergebnisse ihrer Recherchen, sondern nehmen sie mit hinter die Kulissen: Mit Anrufen bei Informant*innen, Recherche-Rückschlägen oder der eigenen Gefühlslage in heiklen Situationen gehen die Redakteur*innen offen um.

Auch in puncto Sprache attestiert Rezo Teilen des Journalismus einen „grundlegenden disconnect“ zur jungen Zielgruppe. Er selbst macht es offenbar besser: „Wenn man was von Rezo lernen kann, dann ist es, die Zielgruppe, die man wirklich ansprechen will, anzusprechen“, erkennt Meedia-Redakteur Ben Krischke an. Woran das liegt, erklärt Spiegel-Autor Arno Frank: Wenn Rezo spricht, dann „verkündet nicht die Bundeszentrale für politische Bildung, es plaudert der große Bruder“. Einer, der auch mal unverblümt flucht, wenn er sich aufregt. Der Slang und Anglizismen nutzt. Diese Alltagssprache gebe den Zuschauer*innen das Gefühl, sich auf Augenhöhe zu befinden, sagt ZAPP-Moderatorin Kathrin Drehkopf. Hinzu kommt die ganz eigene Machart dieser YouTube-Videos, die durch humorvolle Stilmittel einen großen Unterhaltungswert für ihre Zielgruppe bieten.

Den richtigen Umgang finden

Journalist*innen haben die Chance, sich „mit Hilfe ihrer Professionalität zu differenzieren“, rät Wissenschaftlerin Duckwitz. Unter Einhaltung der eigenen Qualitätskriterien müsse der Journalismus auf das neue Mediennutzungsverhalten eingehen. Das setzt speziell für YouTube-Journalismus die Beschäftigung mit der Plattform und deren Inhalten voraus. Es lohnt sich also, hier genauer hinzuschauen: Die Arbeit von YouTube-Journalist*innen sieht Drehkopf hierfür als „wichtigen Impuls“.

14. August 2020