Politmagazine
Zum Tode von Klaus Bednarz

Foto: WDR/Klaus Görgen

Foto: WDR/Klaus Görgen

Der Fernsehjournalist Klaus Bednarz ist tot. 18 Jahre leitete und moderierte er das WDR-Politmagazin Monitor. Bednarz starb am Dienstag, 14. April 2015, im Alter von 72 Jahren. Aus gegebenem Anlass veröffentlichen wir an dieser Stelle einen Beitrag aus Message 1/2011, in dem er den Umgang der Senderverantwortlichen mit den „ungeliebten Stiefkindern der ARD“ kritisiert.

10 Erfahrungen aus (fast) 20 Jahren Monitor

von Klaus Bednarz

Nicht nur nach dem Eindruck der Monitor-Redaktion sind die Politmagazine die ungeliebten Stiefkinder der ARD. Sie werden behandelt als Manövriermasse des Programms, hin und her geschoben zwischen den verschiedensten Sendetagen und Anfangszeiten, zugunsten von Sport und Unterhaltungssendungen auch mal ganz aus dem Programm gekegelt und unlängst insgesamt in ihrer Sendezeit drastisch verkürzt. Gäbe es nicht einen bemerkenswerten Anteil von offenbar unverdrossenen Stammzuschauern, wären sie wohl längst aus dem Programm verschwunden.

Am Morgen nach einer Sendung: Im Fahrstuhl trifft ein Monitor-Redakteur den Chefredakteur. »Wie fanden Sie unsere Sendung gestern Abend?« »Das sage ich Ihnen, wenn ich die Quote gesehen habe.«

Druck ist normal: Heiner Geißler wettert von der Tribüne des Bonner Bundestages gegen Monitor, Theo Waigel fordert öffentlich, den Redaktionsleiter »zum Teufel« zu jagen. Pharmafirmen,  Banken und andere große und kleine Wirtschaftsunternehmen drohen mit Klagen und Schadenersatz-Prozessen, zuweilen steht die Redaktion an mehreren Orten der Republik gleichzeitig vor Gericht. Mehr als 90 Prozent der juristischen Auseinandersetzungen können mit Hilfe des WDR-Justiziariats gewonnen werden. Andernfalls hätte der Redaktionsleiter wohl nicht die fast 20 Jahre in seiner Funktion überlebt.

Zwei von drei Intendanten vermitteln der Redaktion das Gefühl, zwar nicht mit allem einverstanden zu sein, im Zweifel jedoch hinter der Redaktion zu stehen.

Das unausgesprochene Motto der Monitor-Redaktion, »den Mächtigen unbequem sein«, gilt in jeder Hinsicht. Hat aber nur dann Aussicht auf zumindest gelegentlichen Erfolg, wenn die Redaktion – bei aller internen Auseinandersetzung – nach außen geschlossen ist und sich im Ernstfall  jeder auf jeden verlassen kann.

Preise, von denen es nicht wenige gibt, steigern im Sender nicht bei allen die Beliebtheit der Redaktion.

Der Redaktionsleiter eines Politmagazins muss nicht konfliktfreudig, aber konfliktbereit sein – im und außerhalb des Senders. Auch wenn es um wiederholte Aufforderungen der Hierarchie geht, »zuschauerfreundlicher«, das heißt »unterhaltsamer« zu werden.

Seit dem Aufkommen der Talkshows verweigern sich die wichtigsten Entscheidungsträger der Politik zunehmend den Interviews von Politmagazinen. Oder sie versuchen, nicht nur gegenüber der Monitor-Redaktion, Interviewbedingungen zu diktieren, wie sie  Journalisten vor allem von autoritären Regimen kennen.

Die Wirkung von Politmagazinen ist zuweilen wunderlich. Ein lange recherchierter, mit eigenem Film- und Fotomaterial sowie dem eigenen Augenschein von Kollegen untermauerter Monitor-Bericht über den Einsatz deutscher Waffen gegen die kurdische Zivilbevölkerung durch die türkische Armee bleibt bei den zuständigen Politikern und dem Großteil der Zuschauer ohne erkennbare Wirkung. Ein kleiner Bericht über eklige, aber nicht gesundheitsgefährdende Würmer in Fischen hingegen führt zu einem zeitweiligen bundesweiten Boykott von Fischgeschäften und die deutsche Fischindustrie – wie sie behauptet – an den Rand des Zusammenbruchs. »Der größte Fall von Geschäftsschädigung in der deutschen Pressegeschichte«, wie eine nicht unbedeutende hessische Tageszeitung zu wissen glaubt.

Die Monitor-Redaktion hat das Glück, in einem Sender zu arbeiten, der trotz wechselndem Führungspersonal für Toleranz und Liberalität steht wie wohl kein anderer. In meinen (fast) 20 Jahren bei Monitor hat es nicht einen einzigen Beitrag gegeben, der von der Hierarchie des Hauses verhindert wurde.

Gelegentliche Prügel hinterher gehören dazu und müssen ausgehalten werden. Oder gemäß einer alten Fußballerweisheit: »Wichtig ist, was auf ‘m Platz ist« – also auf ‘m Sender.

15. April 2015