Ringvorlesung "Lügenpresse"
Brinkbäumer: Prinzipien für einen wahrhaftigen Journalismus

Wie können Journalisten dem Vorwurf „Lügenpresse“ begegnen und Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aus dem Weg räumen? „Spiegel“-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer antwortete am 10. Januar im Rahmen der Ringvorlesung zum Thema an der Universität Hamburg mit Prinzipien für einen wahrhaftigen Journalismus.

Von Jan-Niklas Pries

Zu Beginn ging Brinkbäumer zunächst auf die digitale Revolution ein, die eine neue Situation geschaffen habe. So könne Journalismus inzwischen ohne große finanzielle Mittel betrieben werden. „Ein Blogger oder ein Journalist braucht einen Internetzugang und ein Telefon und mehr nicht“. Die Kosten für Personal, große Redaktionsgebäude und Vertrieb, unter denen besonders die reinen Printmedien ächzten, könnten so vermieden werden.

Bei diesem Strukturwandel zeichne sich ab, dass zwei wahrnehmbare Entwicklungen eng miteinander zusammenhingen. So würden der technologische und wirtschaftliche Wandel der Medienbranche und die Debatte über die Glaubwürdigkeit des Journalismus nicht unabhängig voneinander existieren, sondern sich vielmehr bedingen und einander beeinflussen, sagte der „Spiegel“-Chefredakteur.

Zwar bedeute der Strukturwandel für Gesellschaften, die von Diktatoren oder Despoten regiert würden, auch eine „enthusiasmierende“ Möglichkeit, indem Wahrheiten ans Licht kämen, die Korruption oder andere Missstände aufgedeckten. Demnach könne sich potenziell kein Diktator oder Oligarch mehr unbeobachtet fühlen, jedoch werde durch die technologischen Veränderungen auch die Verbreitung von Unwahrheiten und Falschmeldungen erheblich begünstigt. Jeder könne alles behaupten und online verbreiten, ohne dass Verschwörungstheorien oder Lügen je wieder ganz aus dem Netz gelöscht würden, sagte Brinkbäumer weiter. Dies habe sich zuletzt auch im zurückliegenden US-Präsidentschaftswahlkampf gezeigt, in dem auch die Kandidaten selber, allen voran Donald Trump, immer wieder Verschwörungstheorien oder Falschaussagen über die sozialen Medien verbreitet hätten.

Genau aus diesem Grund habe die Verantwortung der etablierten Medien in Zeiten der Digitalisierung und des Medienwandels nicht ab-, sondern zugenommen. Mehr denn je sei es Aufgabe von Qualitätsmedien wie dem „Spiegel“ sich durch Recherche und Sachkenntnis mit „medialer Autorität“ gegen Falschmeldungen zur Wehr zu setzen, die sich teils in extremer Geschwindigkeit über das Internet und die sozialen Medien verbreiteten, erklärte der „Spiegel“-Chef. Damit sei für die etablierten Medien die Qualität ihrer Arbeit noch entscheidender geworden. Um diese aufrechtzuerhalten und weiter zu steigern, seien Prinzipien für einen wahrhaftigen Journalismus unverzichtbar.

Schwächen eingestehen

Dazu gehöre etwa ein Berufsverständnis, das auf permanentem Lernen als ständige Anpassung im Sinne des „adaptive change“ angelegt sei, sagte der „Spiegel“-Chefredakteur. „Wir müssen eine Umgebung schaffen, die Erneuerung ermöglicht“. Das bedeute auch zu hinterfragen und Schwächen einzugestehen. Der „Spiegel“-Chef ging dazu auf die Ressorts und Redaktionen des Magazins ein, die lange Zeit schlecht vernetzt gewesen seien. Auch die multimediale Verbreitung von journalistischen Inhalten und Projekte im Bereich des Datenjournalismus seien verbesserungswürdig gewesen. Mittlerweile habe man diese Probleme aber erkannt und gelöst. So habe der „Spiegel“ beispielsweise mit acht weiteren Medienpartnern das Recherche-Netzwerk „European Investigative Collaboration“ (EIC) gegründet, um besonders große journalistische Projekte bewältigen zu können.

Im Weiteren sagte Brinkbäumer, dass die Qualitätsmedien gerade in diesen turbulenten Zeiten finanziell nicht an dem sparen dürften, was sie besonders auszeichne. Dazu gehörten etwa investigative Rechercheure oder eine Vielzahl an Reportern und Korrespondenten. Journalismus brauche zudem mehr Gelassenheit und es gelte genügend Abstand zu Themen zu nehmen, um herauszufinden was die eigentliche journalistische Geschichte sei. Dabei auch Fehler zuzugeben und zu ergründen, ob nicht an manchen Stellen von den Journalisten ein zu elitärer Blick auf ein Ereignis oder ein Thema gerichtet werde, sei eine weitere wichtige Aufgabe. So sollte sich auch gefragt werden, ob ausreichend aus der Peripherie der Bundesrepublik informiert werde und nicht nur die Metropolen Berlin, Hamburg und Frankfurt im Mittelpunkt der Berichterstattung ständen.

Abschließend ging Brinkbäumer auf die Leser ein und stellte heraus, dass Journalisten mit diesen diskutieren und Kritik aufnehmen müssten. Auch die sozialen Medien böten dabei neue Chancen für den Dialog und die Verständigung. Mit einer gesunden Portion Humor auf die Kritik der Leser zu reagieren könne darüber hinaus helfen, den Spaß an Debatten neu zu entfachen.

1. August 2017