Ringvorlesung "Lügenpresse"
700 Besucher hörten „ZEIT“-Chefredakteur di Lorenzo

Es geht um Wahrheit, Lüge, Bullshit, um Trump und die AfD. Am 24. Oktober hat Giovanni di Lorenzo, der Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“, einen Vortrag zum Streit um angebliche „Lügenpresse“ an der Universität Hamburg gehalten. Unter dem Titel „Nur Mut! Selbstbewusst und selbstkritisch gegen Propaganda und Verschwörungstheorien“ ermutigte Giovanni Di Lorenzo alle Bürger und Bürgerinnen, sich anhand von Fakten eine Menung zu bilden und dadurch populistischen Bewegungen entgegen zu wirken.

von Mira Taylor

Populistische Aussagen beziehen sich laut di Lorenzo weder auf die Wahrheit noch auf die Lüge. Wenn der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump „haarsträubend falsche Aussagen“ treffe, sei das mit den Worten des amerikanischen Philosophen Harry Frankfurt schlicht „Bullshit“. Mit unkonkreten und diffusen Verdächtigungen ziele er allein auf die Emotionen seiner Zuhörer. „So dreist, so laut, so medienwirksam hat bis jetzt keiner Bullshit verbreitet“, sagte di Lorenzo mit Bezug auf Trump. Daher sollten nicht nur Journalisten, sondern alle Bürger und Bürgerinnen vielfältige Argumente und Beweise zusammentragen und sich so dem „Bullshit“ zu Wehr zu setzten.

Jedoch gebe es „Feinde der Wahrheit nicht nur in den Vereinigten Staaten“, führte di Lorenzo weiter aus. Mit der AfD habe es auch Deutschland mit einer populistischen Bewegung zu tun, die Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit herrschen lasse. Aus diesem Grund betonte di Lorenzo: Recherche sei die neue Meinung. Es bringe nichts, Aussagen von Trump und der AfD mit der entgegengesetzten Meinung zu bedenken. Es müssten gründlich recherchierte Tatsachen her.

Hierfür gebe es in Deutschland bereits Medien, die zu den besten und freiesten der Welt gehörten, erklärte di Lorenzo. Es gebe Standards, Regeln und Gesetze, welche Recherche, Informationsverarbeitung und -veröffentlichung bestimmten. Jedoch kämen auch Journalisten in ihrer Recherche immer wieder an Grenzen. Hier gilt es laut di Lorenzo, Recherchewege und Arbeitswege in der Zeitung aufzuzeigen und so transparent und nachvollziehbar zu gestalten.

„In zu vielen Fragen zu konform reagiert“

Auch der Streit der Meinungen um Reizthemen müsse in diesem Sinne transparent gemacht werden, sagte di Lorenzo mit Blick auf die Flüchtlingsdebatte. „Wir haben in zu vielen Fragen zu konform reagiert“, gestand er ein. Unterschiedliche Meinungen müssten dargestellt werden, damit die Bürger sich daraus eine eigene Meinung bilden könnzen.

Hier rief der „ZEIT“-Chefredakteur auch andere Medien dazu auf, dem Beispiel der Wochenzeitung zu folgen und Journalisten aus unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen einzustellen. Di Lorenzo schilderte, dass  die „ZEIT“ mit Mitarbeiterinnen in Führungspositionen und Journalisten und Journalistinnen mit Migrationshintergrund die Tür zu vielfältiger Berichterstattung weiter geöffnet habe.

Die Initiatoren der Veranstaltungsreihe „Lügenpresse – Medienkritik als politischer Breitensport“ vom Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg freuten sich über das große Interesse der Bürger und der Studierenden: „Wir haben den größten Hörsaal gewählt und es reicht nicht“, stellte Prof. Dr. Irene Neverla angesichts der sogar auf dem Boden und den Treppen hockenden Zuhörern ungläubig fest.

Di Lorenzo war einer von insgesamt vierzehn Rednerinnen und Rednern, die das Thema „Lügenpresse“ in den nächsten Wochen aus wissenschaftlicher und journalistisch-praktischer Seite beleuchten werden.

1. August 2017