#nr19 | Audio
Raum für Experimente

Was reizt Journalisten am Podcasten? Geld kann es nicht sein.

von Louise Bot

„Der Podcast ist das Radio des 21. Jahrhunderts“, sagt Philip Banse, freier Journalist und Produzent von „Lage der Nation”. Den wöchentlichen Polit-Podcast aus Berlin produziert er seit drei Jahren gemeinsam mit seinem Kollegen Ulf Buermeyer. Anders als Buermeyer, der als Richter am Landgericht Berlin arbeitet, hat Banse neben dem Podcast keinen zusätzlichen Brotberuf. „Reich wird man nicht, aber ich kann davon leben und meine Rechnungen bezahlen”, berichtet er.

Das Finanzierungsmodell von „Lage der Nation“ umfasst vier Säulen: Werbung, Abonnements, Spenden und Live-Events. Zuletzt kamen mehr als 1.000 Leute zu einem ihrer Auftritte, erzählt Banse. Bei den Shows wird der Podcast live vor Publikum aufgenommen. Der Arbeitsaufwand für eine Folge sei vergleichbar mit einem Vollzeitjob. Mehrere Tage Recherche und Themenvorbereitung sowie mehrere Stunden Schnitt und Nachbereitung.

Podcasten kostet Zeit

„Die Mischung aus journalistischer Wahrhaftigkeit und ironischer Distanz“ sei beim freien Medium Pod­cast am besten gegeben, meint Malte Herwig. Er steckt hinter dem hochgelobten „Faking Hitler“-Pod­cast über den Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher beim Stern. Der freie Journalist hatte das Projekt als Stern-Redakteur begonnen und es nach dem Ende seiner festen Anstellung zu Ende geführt. Auch Herwig spricht davon, viel Zeit in das Projekt gesteckt zu haben, hauptsächlich für Recherche und Fact-Checking, denn einen „Laberpod­cast“ wollte er nicht.

Aber wofür der ganze Aufwand, wenn Aufwand und Ertrag nicht im Verhältnis stehen? Banse erklärt: „Ich kann Themen und Formate ausprobieren, ohne jemanden fragen zu müssen.“ Er habe viel Raum für Experimente und komplexe Zusammenhänge, denn anders als beim Radio seien die Themen nicht auf 1:30 Minuten beschränkt. Für Banse ein Traum: „Ich kann meine Liebe zum Podcast verbinden mit journalistischer Arbeit.”

Junge Hörer

Herwig berichtet, dass es für den Stern vor allem da­rum ging, ein jüngeres Publikum anzusprechen und als Magazin-Leser für den Stern zu gewinnen. Tatsächlich sind Podcast-Hörer laut Sandra Müller hauptsächlich jung, gebildet und politisch interessiert, geben darüber hinaus oft konstruktives Feedback zum Gehörten. Die freischaffende Hörfunkerin und Mitbegründerin von Fair Radio, einer Initiative, die sich für glaubwürdigen Radiojournalismus einsetzt, glaubt jedoch, dass sich die Hörerschaft des relativ jungen Mediums in den kommenden Jahren noch verändern wird.

Der Stern-Podcast „Faking Hitler“ von Malte Herwig besticht durch eine besondere Authentizität, die u. a. durch Originaltonaufnahmen von früheren Gesprächen entsteht. Müller hofft, dass sich durch Podcasts eine neue Form von Audiojournalismus entwickeln kann, die das Publikum zum Hören zurückbringt und professionellen Journalisten ermöglicht, mit hochwertigem Audiojournalismus Geld zu verdienen.

15. August 2019