#nr15 Spezial | Qualität
Kampfbegriff oder brauchbares Leitbild?


Verbirgt sich hinter dem Begriff „Qualitätsjournalismus“ ein einzulösendes Versprechen oder nur eine Floskel, ein Verkaufsargument?

von Maximilian Ginter/IJK

Jürgen Kaube, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sieht den Qualitätsjournalismus nicht unter Druck. Allerdings gebe es eine ökonomische Zeitungskrise. Ohne Geld und ohne Zeit könne kein guter Journalismus entstehen. Und überhaupt würden alle Berufsgruppen unter Misstrauen leiden, ob Ärzte, Anwälte oder Politiker, so Kaube: „Medienkritik und noch so ruppige Kommentare im Internet sollten kühler entgegen genommen werden.“

Volker Lilienthal, Inhaber der Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für Praxis des Qualitätsjournalismus an der Universität Hamburg, hält das Etikett „QJ“ für zwiespältig: einerseits ein Kampfbegriff für den Wettbewerb, für Eigenlob in Sonntagsreden, andererseits ein Leitbegriff für überdurchschnittliche Leistungen im Journalismus. Aktuell sollte Qualitätsjournalismus als Gegenbegriff zur „Lügenpresse“-Phrase selbstbewusst vertreten werden: Recherche sei noch immer der wichtigste Qualitätstreiber hin zum besseren Journalismus. Das Publikum goutiere guten Journalismus durchaus. Wertschätzung bedeute aber nicht unbedingt Zahlungsbereitschaft. Vom einzelnen Journalisten wünscht sich Lilienthal eine engagierte Haltung, ein Bekenntnis zum Mandat der Aufklärung und Unabhängigkeit verstanden als „Äquidistanz“, also des Abstandhaltens zu allen politischen Lagern und wirtschaftlichen Interessen.

Eva Weissenberger, Chefredakteurin der österreichischen Zeitschrift News, sprach sich gegen Nostalgie aus. Früher sei der Journalismus nicht besser gewesen. Die von Lilienthal aufgezählten Gütekriterien eines solchen wie etwa die Bedeutung von Recherche hält Weissenberger nicht für Qualitätsjournalismus, sondern „normalen“ Journalismus. Die „nicht geschriebenen Geschichten“ hält Weissenberger für „die wichtigsten“. Denn nicht jede Recherche führe zu einer Story, die es auch wert sei, veröffentlicht zu werden.

Stimmen im Publikum wiesen auf den Grundwiderspruch zwischen Qualitätserwartung und prekären Arbeitsbedingungen hin: „Wir sollen besser werden, aber es wird immer schlechter bezahlt.“ Trotz materiellen Problemen im Journalistenleben sieht Lilienthal Berufseinsteiger, die mit starker innerer Motivation noch das „Mandat einer dienenden Freiheit“ im Interesse von Publikum und Demokratie übernehmen. Vielleicht ganz im Sinne des Konferenzmottos „Jetzt erst recht“.

6. Juli 2015