#nr21 | Hate Speech
Ignorieren oder konfrontieren?

Wie sich Journalist:innen gegen Hass im Netz zur Wehr setzen können.

von Johanna Schröter

„Ich werde dir dein Genick brechen.“ Drohungen wie diese, aber auch Beleidigungen gehören mittlerweile zum Alltag vieler Journalist:innen. Zwar hat endlich auch der Gesetzgeber auf die zunehmenden Verbalattacken reagiert: Wer Hass im Internet verbreitet, muss seit April mit harten Strafen rechnen – doch nicht jede Strafanzeige hat Erfolg.

Wer bekommt den Hass ab?

Insbesondere Medienschaffende, die zu politischen Themen berichten, bekommen den Hass ab: Man sol­le den Zeit-Reporter Christian Fuchs doch mal bei sei­nen Lesungen besuchen und den freien Journalisten Julian Feldmann nicht in Ruhe lassen, lauten zwei die­ser subtilen Drohungen, die die Betroffenen manch­mal bis ins reale Leben verfolgen. Fuchs erzählt fast beiläufig von einem Einbruch in sein Wohnhaus. Aus dem Melderegister hat er sich aus Sicherheitsgrün­den schon vor langem streichen lassen.

Die Anfeindungen beziehen sich dabei selten auf In­halte. Anastasia Tikhomirova von der taz beschreibt, dass sie wegen eines Textes über Sahra Wagenknecht online angefeindet wurde. Die Anfeindungen bezogen sich jedoch nur auf ihr Aussehen und Alter, der Artikel wurde zur Nebensache. Wie Tikhomirova geht es vie­len Journalistinnen.

Im Jahr 2020 verzeichnete allein die Organisation Hassmelden 150.000 Meldungen – dreimal mehr als im Vorjahr. Von diesen wird circa ein Drittel straf­rechtlich verfolgt. Das Problem betrifft die gesam­te Gesellschaft, aber auch gegenüber Redaktionen häufen sich die Fälle. André Steins, der als Redak­tionsleiter Social Media bei ARD-aktuell arbeitet, sagt: „Wir reichen häufiger Sachen an die Rechts­abteilung weiter. Und ich will nicht sagen, dass wir abgestumpft sind, aber wir haben uns an viele Dinge gewöhnt.“

Was tun gegen Hass im Netz?

Auch mit Netiquette und eingeschränkter Kommen­tarfunktion kann man Hater nicht so leicht in die Schranken weisen. Seelische oder juristische Unter­stützungen können den betroffenen Journalist:innen zumindest im Nachhinein helfen.

Der Deutsche Journalisten-Verband fordert feste An­sprechstellen für Betroffene. Der Verein Neue deut­sche Medienmacher*innen und das No Hate Speech Movement haben bereits einen Online-Helpdesk ein­gerichtet, der schnelle Gegenmaßnahmen anbietet. Die Medienforscher Leif Kramp und Stephan Weichert haben Strategien zum Umgang mit Hassbotschaften formuliert. Als wichtige Vorgehensweisen empfehlen sie, die Pöbelnden direkt anzusprechen. Auch viele Journalist:innen haben die Erfahrung gemacht, dass Gegenrede hilft. So beantwortet Julian Feldmann, der viel im rechten Millieu recherchiert, auch Zuschriften offenbar feindlich gesinnter Menschen, solange die­se noch halbwegs inhaltlich argumentieren.

Die Person hinter dem Text

Bekommen die Hater eine Antwort, sind sie ver­blüfft, einige entschuldigen sich sogar. So schildert der Zeit-Reporter Fuchs: „Ich habe für mich auch den Anspruch, jeder Person zu antworten, die mir außer­halb eines Shitstorms schreibt. Damit die Person be­merkt: Auf der anderen Seite sitzt auch jemand, da fließt Blut durch die Adern.“

Hassrede wird aus dem Netz nicht verschwinden, aber Journalist:innen können dem Hass begegnen und einander unterstützen. Das wünscht sich auch Fuchs: „Mir hat mal ein kluger Mensch gesagt, dass man Hass nicht mit Hass begegnen soll, sondern nur mit Liebe.“

1. Juli 2021