#nr15 Spezial | Interview | Rechtsextremismus
„Ich werde bedroht, bitte schreiten Sie ein!“

Der freie Journalist und Blogger Marcus Arndt wurde Anfang des Jahres mutmaßlich von Neonazis attackiert. Bedrohungen und Beleidigungen aus der rechten Szene stehen für ihn und seine Dortmunder Kollegen seit jeher auf der Tagesordnung. Doch die Tendenz ist steigend. Den Grund hierfür sieht Arndt in der Passivität der Dortmunder Polizei.

Ein Interview von Julia Dziuba

Message: Herr Arndt, stehen Sie noch unter Polizeischutz?
Arndt: Immer noch, ja. Aus Sicherheitsgründen wird mein Handy ständig geortet und die Polizei fährt alle halbe Stunde Streife bei mir vor der Haustür. Das bleibt auch weiterhin so.

Also wird immer noch damit gerechnet, dass Sie angegriffen werden könnten?
Die Bedrohung gibt es weiterhin, wenn man auf Demos unterwegs ist. Die Neonazis sind da ganz unverhohlen und rufen dann auch: ,Wir bringen dich sowieso irgendwann um‘ oder sowas. Der Staatsschutz steht daneben. Nur: Interessanterweise wird keine Person festgenommen, und zwar mit der Begründung, man könne ja nicht ausmachen, wer das gesagt hat. Es gab dieses Jahr den Vorfall in Dortmund-Eving, dass bei einer Bürgerinfoveranstaltung zu der dort geplanten Flüchlingsnotunterkunft neben Neonazis und auch sehr viele Leute vom Staatsschutz anwesend waren. Die Neonazis haben die Teilnehmer der Veranstaltung bedroht. Der Staatsschutz ist nicht eingeschritten und „normale“ Bürger haben dann über Notruf die Polizei gewählt. Da fragt man sich, wofür der Staatsschutz da ist.

Was vermuten Sie, woran liegt diese Tatenlosigkeit?
Das ist eine gute Frage, die können wir uns alle nicht erklären. Die Leute vom Staatsschutz stehen einfach nur herum und beobachten, was anderes tun die nicht. Und auch wenn normale Streifenbeamte zugegen sind und Journalisten bedroht werden, man muss zu denen hingehen und sagen, ,Ich werde jetzt hier bedroht, bitte schreiten Sie ein!‘, sonst machen die nichts. Ganz im Gegenteil, dann wird meistens noch gesagt, ,Sie sind ein Störfaktor, Sie provozieren die durch Ihre Anwesenheit, durch Ihre Berichterstattung‘. Das wird jetzt mittlerweile normaler O-Ton.

Es sind nicht die ersten Angriffe oder Bedrohungen, denen Sie als Journalist ausgesetzt sind, weil Sie ja schon sehr lange über die rechte Szene in Dortmund berichten. Teilen Sie als unmittelbar Betroffener die Beobachtung, dass die Bedrohung zugenommen hat?
Also Bedrohungen hat es immer schon gegeben, aber bisher nur verbal. Dass jetzt auch körperliche Gewalt angewandt wird, liegt einfach nur daran, dass man den Neonazis viel Spielraum lässt. Man muss zur Polizei gehen und wirklich darum bitten und betteln, dass die einem helfen. Wenn das so ist, gewinnen die Rechten natürlich die Oberhand.

Also würden Sie sagen, dass die Passivität der Polizei solche Handlungen mitunter schon fast provoziert?
Ja, man lässt viel zu viel durchgehen. In Dortmund ist es so, dass die Rechten rufen dürfen, was sie möchten, dann heißt es, man kann es nicht zuordnen. Sie können tun, was sie möchten, da passiert so gut wie gar nichts und da muss man sich nicht wundern, wenn die irgendwann Oberwasser bekommen und auch mal tätlich attackieren.

In Dortmund gibt es seit Februar die Soko „Rechts“, die sich explizit mit dem rechtsextremistischen Personenkreis, wie auch den Strukturen und Organisationen der rechten Szene in Dortmund auseinandersetzt. Ihren Schilderungen entnehme ich aber, dass sich dadurch nicht wirklich etwas geändert hat. Müsste mehr für betroffene Journalisten getan werden?
Einen Tag nach dem Steinwurf auf mich habe ich schon sehr, sehr viele Beamte mit einem Mal gesehen, die sich um diesen Fall gekümmert haben. Also, ich denke schon, dass da von Gregor Langes Seite aus…

…dem Polizeipräsidenten von Dortmund…
…alles getan wurde, aber viel weiter bringt es einen auch nicht.

Wie würden Sie denn die derzeitige Situation in Dortmund beschreiben? Es werden stets zwei gegenläufige Bilder gezeichnet, dass die Bedrohung von Rechts noch nie so groß gewesen sei, gerade auch für Journalisten. Andere sagen wiederum, dass der hierfür verantwortliche Kern nur aus einigen Wenigen bestehe, die rechte Szene in Dortmund eigentlich langsam ausfranse und sich dies in Frustrationstaten der Neonazis niederschlage. Wie würden Sie die Situation beschreiben?

Also ich finde, dass die Bedrohungen seit dem Rathausüberfall vom 25. Mai vergangenen Jahres zugenommen haben…

…als Mitglieder der Partei „Die Rechte“ nach den Kommunalwahlen in Dortmund die Wahlparty im Rathaus stürmen wollten und einige Leute verletzt wurden…
… und sie werden auch weiterhin zunehmen. Zu sagen, das sind doch nur ein paar Männeckes, stimmt insofern, als dass der harte Kern in Dortmund nur 30, 40 Leute sind, die aber 600.000 Einwohner einschüchtern. Und: Dieser harte Kern kann unheimlich viele Menschen mobilisieren und auch wenige sind sehr, sehr gefährlich. Und dadurch, dass man in den letzten Monaten auch seitens des Verwaltungsgerichts so viel hat durchgehen lassen, werden die wie gesagt immer gefährlicher und mutiger.

Halten Sie das Verbot der Partei „Die Rechte“ für eine gute Idee?

Das Verbot dieser Partei hat eigentlich nur einen Sinn, wenn denen die finanzielle Grundlage entzogen wird. Sobald diese Partei verboten wird, werden sich die Mitglieder eine neue Vereinigung suchen. Und so ein Parteienverbot überhaupt durchzubekommen in Deutschland ist unheimlich schwierig. Weil die Mitglieder sich immer wieder am Rande der Legalität bewegen. Das wird Jahre dauern. Wenn es passiert, dann hat man denen nur die finanzielle Grundlage entzogen, aber es wird sie weiterhin geben. Die einzige Methode, mit der man dagegen halten kann, ist das, was meine Kollegen und ich machen: Dass man in die Schulen geht, mit Schülern spricht, mit Eltern spricht und hier für Aufklärung sorgt, was das eigentlich für Menschen sind, damit sie nicht weiter Zulauf bekommen. Das ist das einzige Sinnvolle, was man tun kann. Alles andere ist in meinen Augen Quatsch.

Würden Sie denn sagen, dass diese Aktionen Ihrerseits auch fruchten? Sehen Sie die Dortmunder Bevölkerung als standfest gegen die rechte Bewegung und deren Einschüchterungsversuche und Bedrohungen an?
Doch, das sind sie. Oberbürgermeister Ullrich Sierau tut unheimlich viel dagegen, sorgt mit verschiedenen Aktionen für Aufklärung und gebietet dem Ganzen Einhalt. In den sozialen Brennpunkten der Stadt wird es schon ein bisschen schwierig, da muss man wirklich intensiv aufklären, weil die Rechten dort genau ins Wespennest reinstechen, sprich: Arbeitslosigkeit, wenig Geld, das ist klar. Und auch gerade in Sonderschulen, in Förderschulen muss man auf jeden Fall für Aufklärung sorgen, weil davor stehen die Neonazis gerne und werben.

Wie gehen Sie und Ihre Familie mit den zunehmenden Bedrohungen und Anfeindungen um?

Meine Familie akzeptiert das, was ich tue, aber im Hintergrund ist immer die Gefahr, dass etwas passieren könnte. Wir haben schon Diskussionen ab und zu (lacht). Ansonsten habe ich eine ganze Reihe an Menschen hinter mir, die jederzeit für mich da sind, mich begleiten, egal wohin, dass man nie alleine ist. Das funktioniert sehr sehr gut.

7. Juli 2015