Innovation
Durch die Datenbrille
Der digitale Journalismus ist präsenter denn je. Doch neue Technologien wie Virtual Reality, Augmented Reality und Co. werden von vielen Journalisten gescheut. Zu Unrecht.
von Julia Choutka
Zwei neue Spielarten des Journalismus sind Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR). Wirklich interessant ist nach Ansicht von Datenjournalist und Medienberater Marco Maas vor allem AR. In dieser wird die reale Welt digital um virtuelle Objekte und Informationen ergänzt. Zudem werden sich Journalisten an Begriffe wie Artificial Intelligence Assistants (z.B. Siri) und Conversational User Interfaces (z.B. Quartz) gewöhnen müssen.
Das Ende der Website?
Für Maas haben diese Dialogformen das Potential, traditionelle Websites und Apps obsolet zu machen, da sie dem Nutzer gegenüber eine direktere Resonanz bieten. Aber wie bei vielen Innovationen stellt sich die Frage: Handelt es sich nur um eine Modeerscheinung oder doch um eine substanzielle Entwicklung?
Medienexperte Maas hält es für sehr wahrscheinlich, dass es bald neue Erzählwege und neue Technik-Gadgets geben werde, um Inhalte zu transportieren. Ersetzen werde die neue Technik Journalisten zwar nicht, betont Boris Tolg, Professor für Informatik an der HAW Hamburg. Er konstatiert aber, dass die Entwicklung technischer Systeme sicherlich einen Einfluss auf den Journalismus haben werde. Für Marcus Bösch, Journalist und Gründungsmitglied des Virtual-Reality-Studios „Vragments“, ist eine Kombination aus Bot und Mensch denkbar.
Jede neue Technologie erfordere neue Arbeitsweisen und erzeuge neue journalistische Formen, meint Datenjournalist Maas. Für den VR-Experten Bösch setzt dies allerdings voraus, dass man sich mit den neuen Möglichkeiten auseinandersetzt. Es gibt bereits journalistische AR-Anwendungen, beispielsweise vom amerikanischen Magazin „Esquire“. In dessen AR-Ausgabe war es mithilfe einer App möglich, die im Magazin dargestellten Protagonisten virtuell auf einem Bildschirm wiederzugeben und sie durch eigene Interaktion verschieden agieren zu lassen.
Einfach und bequem
Bis VR verlässlich und zudem erschwinglich ist, müsse die Technologie noch eine ganze Weile reifen, glaubt Maas. Alle Experten sind sich zwar über das große Potential einig, aber es gibt auch Probleme, die noch nicht behoben sind. Einerseits gibt es, so Informatiker Tolg, das Risiko des Schwindels und der Übelkeit, die sogenannte Simulatorkrankheit, welche sich nur sehr aufwendig beheben lasse. Andererseits könne durch eine VR-Brille Isolation und Unsicherheit entstehen, ergänzt er. Dieser Nachteil ist allerdings nicht bei jedem Nutzer zu beobachten.
Bei der AR werden diese Probleme umgangen und die Technik kann bereits auf Smartphones und Tablets genutzt werden. Somit ist sie mobil verfügbar, kostengünstig in der Produktion und im Vergleich zu VR sehr einfach und bequem zu nutzen. Die verschiedenen Spielarten werden wohl nicht mehr von der Bildfläche verschwinden. Ob es mehr als eine Nische mit neuen Erzählformen wird, bleibt jedoch abzuwarten.
Fest steht: Journalismus kann visueller werden und die Erfahrungswelt des Users bereichern.
15. Juni 2017