Mediale Inszenierung
Wie man Promis produziert

Noch nie war das öffentliche Feilschen um prominenteNamen in den Medien so schrill wie heute. Nie wurde so rasch sogenannteProminenz produziert – und wieder vernichtet. Um was geht es?

von Marlis Prinzing

Julia Wippersberg bringt in ihrer Doktorarbeit den Begriff»Prominenz« auf die »Formel P-P-P«:Prominenter– Presse – Publikum. Prominenz sei das Produkt aus medialerVermittlung und Publikumsakzeptanz. Wer es in die Massenmedien schafft,wird bekannt. Wer bekannt ist und beim Pu­bli­kum an­kommt,schafft es im­mer wie­der in die Medien.

Fernsehen, vor allem das private, und inzwischen auch das Internetbeschleunigen­ die Ma­­schi­ne­rie­ derPro­mi­nen­zierung. Der Phi­lo­­soph GeorgFranck nennt diesen Pro­zess »Ökonomie derAuf­merk­sam­keit«. Er sieht Medien als Märkte,die auf den Tauschhandel mit Aufmerksamkeit spezialisiert sind. DasMedien­publikum bezahlt und spendet den massenmedial inszeniertenPersonen seine Aufmerksamkeit.

Tragik multipliziert mit Bekanntheit

Castingshows produzieren Medienprominente vom Typ MenowinFröhlich oder Raimund Ringele. Fröhlich stieg 2005 im Finalevon Deutschland sucht den Superstar aus, weil er wegen schwererKörperverletzung und Betrugs zwei Jahre ins Gefängnis musste.Im April 2010 stand er wieder im Finale. Danach nahm ein WienerBauunternehmer ihn und seinen Konkurrenten Mehrzad Marashi unterVertrag, der seitdem ihre Medienaufmerksamkeit kapitalisiert, indem erihnen Auftritte organisiert. Ringele hingegen, damals 17, wurdebekannt, weil er 2008 nach einem Nein von Dieter Bohlen zusammenbrach.Die zwielichtige Karriere oder das Scheitern auf offener Bühne,multipliziert mit der durch die Shows entstandenen mittlerenBekanntheit dieser Personen, bewirkten, dass Journalisten von Boulevardbis Qualitätspresse die Geschichten von Fröhlich ebenso wievon Ringele als relevant einstuften.

Schwindel und Profit

Jenseits des Journalismus wächst im Netz eine weitere ArtBerühmtsein heran: selbstgemachte Bekanntheit, die sich am Gradder erzielten Aufmerksamkeit misst. Auf Facebook und in der VZ-Gruppe(Schüler VZ, Studi VZ, Mein VZ) schaffen sich Millionen Menschendigitale Identitäten. »Lonelygirl15« wurde mit Storysüber Teenie-Ängste und ihre strenge Familie zum YouTube-Star.

Als sich herausstellte, dass sie in Wirklichkeit Jessica Lee Roseheißt und Schauspielerin ist, hinter der eine Agentur steckt,kippte die Verzauberung in einen Sturm der Entrüstung – undin Ernüchterung über die fließenden Grenzen zwischenRealität, Inszenierung und Schwindel. Rose profitierte dennoch.Sie zählt zu jenen, die aus ihrer sozialen Bekanntheit im Netzökonomisches Kapital schlagen. Ihre Kunstfigur verhalf ihrletztlich zu Aufträgen in Werbefilmen und im konventionellenFernsehen.

Zerfallsform der Demokratie

All dies sind Anzeichen, dass sich die ausgehandelte, kulturellgeprägte Grenze zwischen Öffentlichem und Privatem weiterverschiebt und durchlässiger wird. Jede Redaktion, vor allem inQualitätsmedien, muss sich Klarheit darüber verschaffen,wohin sie die Grenze verschiebt. Die Hamburger MedienwissenschaftlerinJoan Kristin Bleicher unterscheidet folgendermaßen: Wenn Privatesmedienöffentlich verhandelt wird, fördere dies letztlich diepolitische Mitwirkung der Bürger. Wird hingegen das Politischepersonalisiert, sei das eine Zerfallsform demokratischerÖffentlichkeit.

Ein aktuelles Beispiel für ihre Thesen: der prominente NameFrank-Walter Steinmeier. Dass der SPD-Fraktionschef seiner Frau eineNiere spendete, wurde zur Seite-eins-Geschichte, vom Boulevardblatt biszur Qualitätszeitung. Bunte und Stern hoben das Ehepaar aufsCover. Letzterer titelte: »Liebe ist … seiner Frau eine Nierezu spenden« (Nr. 35/16.8.2010). Dieses Thema bewegte vermutlichviel mehr Menschen als die großen politischen Themen, die denöffentlichen Diskurs hätten prägen können, so etwader Ausstieg aus der Kernenergie, Afghanistan, die Koalitionskrise, derSozialabbau oder die Immigrationsproblematik.

Wie wäre eigentlich der ideale Umgang mit Prominenz? DieSoziologen Jürgen Gerhards und Friedhelm Neidhardt entwickeltendas Modell einer Arena: Medien sollen Öffentlichkeit für einThema herstellen, ein Forum für Meinungen und Auseinandersetzungenzwischen Publikum und Experten anbieten und damit Raum schaffenfür die Selbstbeobachtung der Gesellschaft. Den privaten Bereichgrenzen sie von diesem öffentlichen Handlungsbereich ab.

Caroline-Urteil schützt Journalismus

Das viel diskutierte Urteil des Europäischen Gerichtshofsfür Menschenrechte, das Caroline von Monaco 2005 erwirkte, passthervorragend in dieses Arena-Modell. Die Richter entschieden, auch einePerson der Zeitgeschichte habe ein Recht, privat unterwegs zu sein.Fotografieren lassen muss sie sich nur, wenn die veröffentlichtenFotos zu einer Debatte beitragen, für die ein Allgemeininteressegeltend gemacht werden kann. Dieses Urteil stützt mittelbar auchden seriösen Journalismus, weil er sich gegenüberunseriösem Unterhaltungsjournalismus abgrenzen kann.

Der aktuelle Streit darüber, wo das Private beginnt,berührt indessen zentrale Persönlichkeitsrechte.Aus­gelöst wur­de er wegen Prominenter, deren dunkleSeiten durch Staatsanwälte ans Licht kamen und die derÖffentlichkeit mittels Me­dien re­gel­recht­vor­ge­führt wurden …

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