Wie viel Haltung brauchen wir?

Viele Journalisten fühlen sich mit der verbreiteten Mentalität angepasster News-Manager unwohl. Sie fordern von sich und ihren Kollegen Haltung, Verantwortung und Engagement fürs Gemeinwohl

von Volker Lilienthal

Der deutsche Journalismus sucht nach einer neuen Haltung. Das lässt sich aus vielen Wortmeldungen tonangebender Journalisten ablesen. Die neue Haltung, die noch nur skizziert ist, gilt den Fragen der Zeit und einer Gesellschaft, in der es ungemütlich geworden ist. Und sie gilt den Herausforderungen durch die digitale Medienkonkurrenz, durch Leserverluste, Blogger und Twitterer. Braucht es da noch Journalisten?

Wenn der deutsche (vielleicht auch der internationale?) Journalismus nach einer neuen Haltung sucht, könnte man fast meinen, er habe seine alte verloren. Oder sie habe sich abgenutzt. In der Kommunikationswissenschaft finden sich allerlei wenig schmeichelhafte Charakterisierungen der Grundhaltung von Journalisten: »Angepasste Außenseiter« (Hans Mathias Kepplinger 1979), »Abhängige Selbstdarsteller« (Jürgen Prott 2008), »Bissige Schoßhunde« (Roger Blum 2008) und »Selbstverliebte Fremdbeobachter« (Maja Malik, 2008).

Fest steht: Die deutschen Journalisten sind nach einer Phase der Politisierung in den 1970er Jahren, die oft in problematischer Ideologisierung mündete, links wie rechts, nunmehr bei einem Status der Entideologisierung, aber auch Entpolitisierung angelangt. Doch die Zeit fordert Antworten, auch von Journalisten.

Haberbusch: Kein Mut, nur Haltung

Die Zeit der saturierten nivellierten Mittelstandsgesellschaft ist vorüber. Beileibe nicht konfliktfrei wandeln wir uns unweigerlich zu einer multikulturellen Gesellschaft. Die Bundesrepublik befindet sich längst nicht mehr in einer Nachkriegs-, sondern in einer Mitkriegszeit. Welche Haltung sollen wir einnehmen?

Auch die Hamburger Akademie für Publizistik hat ihre Preisfrage für das kommende Jahr diesem Thema gewidmet: »Brauchen Journalisten eine Haltung?« ist der Essay-Wettbewerb überschrieben. Mal sehen, ob da auch einer sein wird, der Nein sagt. Viele Profis aus der Praxis haben jedenfalls schon Ja gesagt.

Der NDR-Fernsehjournalist Kuno Haberbusch beispielsweise, der als Chef des Medienmagazins Zapp mit seinen Enthüllungen auch das eigene System nicht geschont hat, hält nichts von dem allgemeinen Mutgerede. »Ich habe keinen Mut«, sagte er dem Hamburger Abendblatt (24.7.2009). »Ich mache nur meinen Job. Ich bin beim NDR fest angestellt. Das ist dem Beamtenstatus ähnlich.« Was er sich und anderen Journalisten abverlange, sei lediglich »Haltung«.

Entgrenzung und Entprofessionalisierung

Es geht ihm wie vielen darum, dass der Journalismus sich auf sich selbst besinnen muss, auf seine ureigensten Qualitäten – von radikaler Recherche über verführerische Sprache bis zu kluger Deutung von Wirklichkeit. Wenn in der Kommunikationswissenschaft die Entgrenzungsthese diskutiert wird – also die Frage, ob sich der Journalismus auflöst –, so verstehe ich die nachfolgend skizzierten Wortmeldungen auch als Gegenbewegung zu den Tendenzen von Entgrenzung und Entprofessionalisierung.

Hinter dem Nachdenken …

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