Lokalisierung
Nähe erwünscht

Die moderne Leserforschung zeigt: Zeitungsleser und Online-User bevorzugen News aus ihrer Alltagswelt. Aber nicht jede Darstellungsform für Lokalnachrichten akzeptieren sie.

von Manuel Thomä

Medien sind heutzutage der Schlüssel zur Welt, in der wir leben. Und so verwundert es nicht, dass vielen Menschen nicht nur ihr Lebensort am Herzen liegt, sondern ihnen auch der Blick ihrer Zeitung auf diese Region wichtig ist.

Zur Bedeutung der Regional- und Lokalberichterstattung hat das Institut für Praktische Journalismusforschung in Leipzig (IPJ) im Rahmen seines Forschungsprojektes »Leserpanel« 1.286 regelmäßige Zeitungsleser sechs verschiedener Regionalzeitungen deutschlandweit befragt. Etwa jeder zweite Abonnent antwortet auf die Frage, was ihm an seiner Zeitung gefällt: der Lokalteil. Die Leser finden es wichtig, dass die Zeitung »recht ausführlich aus den Stadtteilen berichtet« oder »dass die Zeitung viele Berichte aus der Region bringt«.

Nicht wenige sehen sich besonders von dem betroffen, was sich vor ihrer Haustür abspielt. Ein Leser erzählt: »Das Regionale, das ist unser Einzugsgebiet, das sind immer Themen, die uns betreffen.« Ein anderer Leser bezeichnet die Lokalberichterstattung als »das A und O« in der Zeitung. Er würde die Zeitung »sofort abbestellen, wenn es das nicht mehr gäbe«.

Lassen sich diese Antworten einzelner Leser generalisieren? Und gilt das besondere Interesse am Lokalen sowohl für die Zeitung als auch für die Onlineseiten der Zeitungen? Die ersten IPJ-Ergebnisse dazu geben ein differenziertes Bild: Das Lokale nutzen die Leser je nach Channel, Ressort und Thema.

Weltpolitik im TV, Regionales in der Zeitung

Vier von fünf regelmäßigen Lesern gaben an, die Nachrichten aus dem Bereich »Lokales« »immer« zu lesen. Im Vergleich: Überregionale Nachrichten lesen weit weniger als die Hälfte »mmer« (32,4 Prozent. Das Überregionale liest rund ein Drittel »häufig«, rund ein Viertel »durchschnittlich oft«. Die Leser entscheiden sich also nicht für nur das eine oder nur für oder gegen das Überregionale, sondern gewichten je nach Nachrichtenlage – das Regionale empfinden sie für ihre tägliche Lektüre als wichtiger.

Oft kommt hinzu, dass die Leser ihrer Zeitung viel Kompetenz bei Erzählungen über ihre Heimat zutrauen. Für überregionale Themen nutzen sie vor allem Rundfunknachrichten oder klicken die Nachrichten-Alphas im Netz, also Spiegel Online oder Bild.de. Ein Leser sagt etwa: »Die Weltpolitik, das kann man ja im Fernsehen und so weiter sehen, aber für unsere Stadt und das Regionale, die Hauptsache, haben wir die Zeitung.«

Das Lokale interessiert auch online

Doch überflüssig macht dies die Webauftritte der regionalen Medienhäuser nicht: Auch im Internet schreiben ihnen die Leser Kompetenz im Lokalen zu. Auf die Frage, was ihnen am Onlineauftritt ihrer Zeitung gefällt, geben mehrere User eine klare Antwort: »Regionales, auch überwiegend Nachrichten aus meinem Stadtteil oder Bezirk«, oder: »das Kulturelle und das Regionale«. Auf »Veranstaltungshinweise aus dem Lokalteil« legt ein befragter Leser viel Wert, für einen anderen »bleibt das Interesse eigentlich das gleiche wie in der Printausgabe – Sport und Lokales«. Es verwundert also nicht, dass ein Blick in die verallgemeinernden Daten den über diese einzelnen Haltungen vermittelten Eindruck bestätigt. Aufschlussreich ist auch die (derzeit noch) geringe Reichweite der Crossover-Nutzung: Rund zwei Drittel der regelmäßigen Leser nutzen den Online-Auftritt ihrer Zeitung überhaupt nicht.

Fotos von unseren Nachbarn

Die Vorliebe für das Geschehen vor ihrer Haustür pflegen Menschen nicht nur bei Erzählformen des klassischen Journalismus wie Berichten, Kommentaren oder Meldungen. Auch bei den »neuen« visuellen Darstellungsformen über das Internet schauen treue Zeitungsleser eher auf Fotos von ihren Nachbarn als auf Bilder aus Deutschland und der Welt.

Nebenbei bemerkt: Die Fotogalerien dürften zwar die Klickzahlen kräftig nach oben schrauben, sie interessieren die meisten Stammleser aber nur durchschnittlich, wenig oder gar nicht (83,5 Prozent bei lokalen Bildergalerien bzw. 91,4 Prozent bei überregionalen Bildergalerien).

Nur wenigen Usern ist es wichtig, mit anderen Nutzern aus der Region in Kontakt zu treten. Rund 9,5 Prozent der regelmäßigen Besucher des Online-Auftrittes gaben an, dass sie solch ein Austausch interessierte oder sogar sehr interessierte – sei es über Chats, Foren oder soziale Netzwerke.

Viele User wünschen mehr Lokalbezug

Welche Schlussfolgerungen können Praktiker aus der Vorliebe ihrer Online-Leser fürs Lokale ziehen? Einfache Antwort: Mehr davon! »Es könnte schon noch ein bisschen umfassender über die Stadtteile berichtet werden«, sagt ein Leser stellvertretend für viele.

Ein anderer Leser wünscht sich eine noch konkretere Regionalberichterstattung. Auf die Frage, was ihm an der Webseite nicht gefalle, antwortet er: »Der Regionalteil. Nicht alles ist für mich im Westen der Stadt interessant.« Abhilfe könnte in Fällen wie diesen eine Geotag-Funktion schaffen, auf die als prominentes Beispiel der WAZ-Verlag seit dem Launch von der Westen setzt. Mit dieser Anwendung können die Besucher der Webseite Nachrichten nach dem Ort ihres Geschehens sortieren. Rund zwei Drittel der Online-Leser findet ein solches Lokal-Feature interessant (62,9 Prozent), nur rund ein Drittel der Befragten kann damit nichts anfangen (33,6 Prozent) bzw. wusste nichts auf die Frage zu antworten (3,5 Prozent).

Wer die Online-Leser einer Zeitung, die eine solche Funktion bereits hat, um ein Urteil bittet, bekommt häufig Antworten wie: »Ja, die nutze ich. Das finde ich durchaus sinnvoll, das ist keine Spielerei.« Oder: »Das nutze ich tatsächlich. Weil man viel schneller an die eigentlichen Informationen kommt, ohne alles durchzugehen.« Ein Leser wünscht sich sogar den Ausbau der Application: »Das ist sehr sinnvoll, aber die Suchfunktion sollte verbessert werden, indem man die Suche zeitlich eingrenzen können sollte, z.B. über das Datum oder einen Wochentag.«

Die weite Welt bleibt wichtig

Blattmacher, die überlegen, das Lokale auf das erste Buch zu verlagern oder gar die Titelseite vorrangig mit lokalen Nachrichten zu bestücken, sollten vor allem an die Nutzungsroutinen ihrer Leser denken. Denn die ändern sich nicht über Nacht: Nur rund jeder siebte der vom IPJ befragten Zeitungsleser schaut sich als erstes die Lokal-News an (14,9 Prozent). Fast drei Viertel der Leser werfen zunächst einen Blick auf überregionale Nachrichten (76,6 Prozent). Auf den Blick über den Tellerrand, auf das, was in der Welt passiert, möchte fast niemand verzichten.

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