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Trauer und Hass auf engstem Raum

Für ihr Bild »Soldier’s Funeral« wurde Andrea Bruce mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet. Im Interview berichtet die US-Amerikanerin, wie sie in der Heimatregion des Assad-Clans fotografierte – und warum ihre Herkunft auf der Trauerfeier zum Problem wurde.

Interview: Amelie Nerger

Der Tod ist in Syrien alltäglich geworden – das Bild »Soldier’s Funeral« (Beerdigung eines Soldaten) der Fotografin Andrea Bruce macht darauf aufmerksam und wurde deshalb beim World Press Photo Award in der Kategorie »Alltagsleben« ausgezeichnet. Die Jury des renommierten Fotografie-Wettbewerbs ehrte Bruce mit dem zweiten Preis. Die Aufnahme entstand 2013 in der syrischen Provinz Latakia, der Heimat des Clans von Syriens Staatspräsident Baschar al-Assad. Ein junger Offizier der syrischen Armee, gerade einmal 24 Jahre alt, war bei einem Gefecht mit Rebellengruppen ums Leben gekommen, als erstes Kriegsopfer aus seinem Dorf. Bruce war zu diesem Zeitpunkt mit der Reporterin Anne Barnard im Auftrag der New York Times  für eine Fotostrecke in Syrien unterwegs. Es war ihr zweiter Besuch in dem Land. Auf der Beerdigung fängt die Fotografin den Moment tiefster Trauer ein: Die Mutter und der Bruder des getöteten Soldaten sehen das Gesicht ihres Angehörigen zum letzten Mal.

Frau Bruce, welche Situation haben Sie bei der Trauerfeier in dem Dorf vorgefunden?
Andrea Bruce: Ich hatte das Glück, noch vor den anderen Trauergästen bei der Familie einzutreffen. Eine Dorfbewohnerin brachte mich in das Haus, in dem die Beerdigungsfeier stattfinden sollte. In einem kleinen Raum saßen 15 Frauen, still und in ihre eigene Welt versunken. Ich habe mich dann den Angehörigen als Fotografin der New York Times vorgestellt. Die Reaktionen waren freundlich. Aber all das hat sie in dem Moment kaum interessiert. Sie hatten ganz andere Sorgen.

Wie kam es dazu, dass Sie die Beerdigung fotografiert haben?
In Syrien ist der Tod auf beiden Seiten des Krieges allgegenwärtig. Das Herzzerreißende an Bürgerkriegen ist immer, dass viele der Menschen ursprünglich Nachbarn waren oder miteinander verwandt sind. Jetzt stehen sie auf zwei verfeindeten Seiten in einem Krieg, der ein Land auseinanderbrechen lässt. Über die Rebellen wurde in der Vergangenheit viel berichtet, nicht aber über die Verluste auf Seiten des Militärs. Für mich ist es wichtig, in einem Konflikt beide Seiten darzustellen.

Wie haben Sie den Kontakt zum Militär aufgebaut?
Diese Geschichte ist wahrscheinlich die frustrierendste, an der ich in meinem Leben bisher gearbeitet habe. Ständig bekamen wir Absagen oder wurden von den Kontaktleuten des Regimes vertröstet. Es war ein großer Aufwand, alle notwendigen Dokumente zusammenzubekommen. Die Behörden beobachten Journalisten ganz genau. Sie wussten alles über mich: wo ich mich aufgehalten habe, an welchen Geschichten ich gearbeitet hatte. Wir durften noch nicht einmal unser Hotel ohne eine Eskorte verlassen. Die Tatsache, dass ich vorher noch nicht über syrische Rebellen berichtet hatte, war wohl mein Vorteil. Die Regierung hat ein Interesse daran, dass ihre Sichtweise gezeigt wird. Und das ist auch fair. Mittlerweile haben die Regierenden erkannt, dass sie den ersten Teil des Krieges in gewisser Weise medial verloren haben, weil sie – im Gegensatz zu den Rebellen – Journalisten den Zutritt verwehrten.

Wie bekamen Sie den Zugang zur Beerdigung?
Eines Morgens hat es mit […]

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