Normen
Wahlporträt gegen Vorkasse

Ein Presseverlag ist so dreist und publiziert Porträts von Wahl-Kandidaten nur dann, wenn diese Anzeigen schalten oder cash bezahlen. Krass, denken Sie? Krass fand dies auch der Schweizer Presserat.

von Max Trossmann

Darf eine kostenlos verbreitete Zeitung von Parlaments-Kandidaten Geld dafür verlangen, dass sie deren Wahlprogramm als redaktionellen Artikel wiedergibt? Selbstverständlich nicht, denkt der regelkonforme Journalist. Gute Idee, dachte indessen ein sogenannter »Verkaufsfachmann« vom Verlag Effingerhof in Brugg im Kanton Aargau.

Ein Juso stellt sich quer

Im Oktober 2012 stand wie alle vier Jahre die Wahl der Volksvertreter des Aargauer Parlaments bevor (vergleichbar einem deutschen Landtag). Ende August fabrizierte der Verlagsverkäufer ein Schreiben an die Kandidaten: Die Gratis-Zeitungen Rundschau Nord und Rundschau Süd würden an alle Haushalte des nordöstlichen Aargau verteilt. Im Oktober seien Sonderseiten über die anstehenden Wahlen geplant. »Eine ideale Plattform also, sich den Wählerinnen und Wählern mit einem Kandidatenporträt zu präsentieren.« Dem Antwortvordruck entnahmen die Kandidaten, dass der Abdruck ihres Porträts und ihrer Thesen gratis seien – vorausgesetzt, sie würden Anzeigen in den Blättern schalten oder 550 Franken (rund 440 Euro) überweisen. Diesen Brief erhielt auch Florian Vock, Präsident der Aargauer Jungsozialisten. Statt ein Inserat zu schalten, schaltete der Juso-Chef den Schweizer Presserat ein.

Das Vorgehen des Verlages hat Methode. Bereits 2011 hatte Effingerhof im Vorfeld der Wahlen zum Schweizer Parlament den Kandidaten ein solches Angebot gemacht – damals noch zum Preis von 350 Franken. Die Porträts wurden publiziert, ohne die Leserschaft darüber zu informieren, dass es sich um bezahlte Beiträge handelte. Die Zeitung Sonntag berichtete im September 2011 darüber und zitierte die Chefredakteurin des Gratisblatts; sie fand die Publikation bezahlter Beiträge im redaktionellen Teil völlig »unproblematisch«.

Frei von Schuldbewusstsein

Florian Vock fürchtete nun, bei den Porträttexten für die Kantonswahl 2012 werde der Verlag die bezahlte PR wieder nicht kenntlich machen. Er sah in seiner Beschwerde vor allem Ziffer 10 des Schweizer Pressekodex verletzt: die Trennung von Werbung und Information. Die Richtlinie 10.1 erklärt die deutliche Trennung als unabdingbar für die Glaubwürdigkeit der Medien: »Inserate und Werbesendungen sind gestalterisch von redaktionellen Beiträgen klar abzuheben. Sofern sie nicht optisch/akustisch eindeutig als solche erkennbar sind, müssen sie explizit als ›Anzeigen‹, ›Werbung‹, ›Werbereportagen‹, ›Werbespots‹ oder durch andere dem Publikum geläufige vergleichbare Begriffe deklariert werden. Journalisten dürfen diese Abgrenzung nicht durch Einfügen von Schleichwerbung in der redaktionellen Berichterstattung unterlaufen.« Die Richtlinie 10.2 untersagt zudem die Koppelung des redaktionellen Inhalts mit der Werbung …

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