Medizinjournalismus
Die Zahlentricks durchschauen

Medicine in the Media – ein US-amerikanischer Kurs zeigt, was Medizinjournalisten in Fortbildungen über Statistik und Studiendesign lernen können. Unsere Autorin hat ihn besucht.

von Martina Keller

Es war ein gelungener Coup der Firma GlaxoSmithKline – und ein Flop für Medizinjournalisten. 2003 startete Glaxo eine großangelegte Pressekampagne, um den Markt für ein neues Medikament zu bereiten. Der Wirkstoff Ropinirol, bis dahin mit mäßigem Erfolg gegen die Parkinson-Krankheit eingesetzt, sollte auch als Mittel gegen das sogenannte Restless-Legs-Syndrom vermarktet werden, eine schwer zu diagnostizierende neurologische Störung, die seinerzeit noch nicht sehr bekannt war.

GlaxoSmithKline startete die Kampagne, noch bevor Ropinirol auch nur zur Behandlung von Restless Legs zugelassen war. Das Unternehmen finanzierte eine Umfrage, die das Syndrom als unterschätzte Krankheit publik machen sollte und gab die Ergebnisse der Umfrage per Pressemitteilung an die Medien weiter: »Restless Legs rauben Amerika in der Nacht den Schlaf.«

Auf die Kampagne hereingefallen

Wie sich später herausstellte, waren die Schätzungen der firmenfinanzierten Umfrage stark übertrieben – so wurden Menschen einbezogen, die gar nicht an Restless Legs litten, sondern an Wadenkrämpfen oder Nervenschäden. Doch die Medien fielen auf die Kampagne rein. Zwischen November 2003 und November 2005 publizierten englischsprachige Zeitungen 187 Artikel, in denen das Restless-Legs-Syndrom erwähnt wurde, davon machten 33 es explizit zum Thema.

Die Teilnehmer des Medicine-in-the-Media-Kurses 2012 bekamen diese Geschichte eines journalistischen Desasters zur Einstimmung erzählt. 50 erfahrene Medizinjournalisten, ausgewählt aus einem Pool von 250 Bewerbern, waren nach Potomac in Maryland gekommen, um eine viertägige Weiterbildung zu absolvieren. Der Kurs, der 2001 zum ersten Mal stattfand, wird vom staatlichen Office of Disease Prevention bei den National Institutes of Health organisiert und kostete im vergangenen Jahr rund 200.000 Dollar. Medizinjournalisten sollen hier Handwerkszeug vermittelt bekommen, um Forschungsergebnisse kritisch zu hinterfragen und angemessen zu bewerten.

Zahlen kritiklos übernommen

Wie wichtig Zahlen in dem Zusammenhang sind, bekamen sie am Beispiel der Restless-Legs-Kampagne eindringlich vorgeführt. Gleich drei renommierte überregionale Tageszeitungen in den USA hatten über das Syndrom berichtet – die New York Times, das Wallstreet Journal und die Washington Post. Die von GlaxoSmithKline verbreiteten Zahlen zur Häufigkeit wurden selbst von diesen angesehenen Blättern kritiklos übernommen. Kein einziger Artikel erwähnte, dass die Störung womöglich überdiagnostiziert war. Fast die Hälfte der 15 Blätter, die über den Nutzen von Ropinirol berichteten, brachten nur Anekdoten. Gut ein Drittel beschrieb die Wirkung des Medikaments in Wunder-Kategorien. Nur sieben Prozent lieferten Zahlen.

Die Medizinprofessoren Lisa Schwartz und Steven Woloshin hatten die Kampagne und ihren Erfolg in den Medien analysiert. Beide sind langjährige Dozenten des Medicine-in-the-Media-Kurses. Das Curriculum trägt ihre Handschrift …

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