Aus dem Netzwerk Recherche
Immer mit der Ruhe

Schon die vage Idee des Landes NRW über eine Stiftung zur Förderung des Journalismus sorgt für Streit. Politik und Verleger stehen sich dabei unversöhnlich gegenüber. Ein Plädoyer für eine offen geführte Debatte.

von Steffen Grimberg

Für die einen ist es ein »Tabubruch« und schleichendes Gift für die freie Presse, für die anderen ein konstruktives Angebot im Zeichen der Zeitungskrise. Die in Nordrhein-Westfalen geplante »Stiftung Vielfalt und Partizipation« erhitzt schon lange vor ihrer Geburt die Gemüter. Und dass beide Seiten auch noch laut »Wehret den Anfängen!« rufen, macht die Lage nicht wirklich klarer. Die einen, dass sind die vielen Verlagsgeschäftsführer und Chefredakteure, die sich so dezidiert wie wortmächtig vor nach ihrer Lesart drohenden staat- und parteilichem Einfluss auf die redaktionelle Arbeit fürchten. Die anderen arbeiten in der NRW-Landesregierung und wollen mit ihrer Stiftung Angebote machen, um »Meinungsvielfalt vor Ort auch künftig zu sichern«, so NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) Anfang Juni beim Kölner Medienforum: »Es ist allemal besser, ein solches innovatives Projekt zu starten, als schlicht und einfach dabei zuzusehen, wie journalistische Vielfalt wegschmilzt.«

Das noch ungeborene Kind der NRW-Medienpolitik soll dabei Ausbildung und Kompetenzen, aber auch Journalismus und Recherche fördern, vor allem im Lokalen. Noch ist die von NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann (SPD) erdachte Stiftung gar nicht auf der Welt, sondern nur im Entwurf des neuen Landesmediengesetzes grob umrissen. Der prompt entbrannte Streit ist dennoch schon beachtlich. Und setzte sich auch Mitte Juni bei der Netzwerk-Recherche Jahreskonferenz fort, wo sich Eumann der Kritik aus dem WAZ-Konzern, aber auch von »Ruhrbaron«-Blogger Stefan Laurin stellte. Falls das neue NRW-Landesmediengesetz wie geplant kommt, wird sich die »Stiftung Vielfalt und Partizipation« – zunächst finanziert mit eher mageren 1,6 Millionen Euro – ab 2014 um Weiterbildung von Journalisten und Recherchestipendien kümmern. Gleichermaßen für neue wie alte Medien – also auch für Zeitungen. All dies gibt es natürlich längst auch anderswo. Aber nicht in dieser Trägerschaft, was erbitterte Kritik auf den Plan ruft: Staatsknete für die Presse, jetzt auch in Deutschland.

Beitragsgelder für Zeitungen?

Dabei hatte die rot-grüne Landesregierung schon bei der ersten, noch reichlich wolkigen Vorstellung ihrer Pläne im vergangenen November von einer direkten Finanzierung der Stiftung durch das Land Abstand genommen. Doch auch das neue Konstrukt vermag die Kritiker nicht zu besänftigen – und machte zudem noch ein ganz neues Fass auf. Laut dem Entwurf des neuen NRW-Mediengesetzes soll nun die Landesanstalt für Medien (LfM) Nordrhein-Westfalen den öffentlichen Finanzierungsanteil von 1,4 Millionen Euro übernehmen. Die ist – wie alle Landesmedienanstalten – in erster Linie für die Zulassung und Aufsicht beim privaten Rundfunk zuständig. Und wird aus der zu Jahresanfang von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag mutierten Abgabe finanziert. Anstatt direkter »Staatsknete« nun also »Beitragsknete« für Zeitungen? Die Stiftungsidee wird auch im Vorstand von Netzwerk Recherche kontrovers diskutiert, zumal rechtlich umstritten bleibt, ob eine solche Mittelverwendung nach dem Rundfunkstaatsvertrag überhaupt möglich ist. Das weiß auch Eumann, weshalb die Landesregierung mehrfach Anlauf nahm, den entsprechenden Gesetzesparagrafen zu ändern. Doch damit beißt er bislang sogar in der eigenen Partei auf Granit. Auch der mächtige WDR pocht darauf, Mittel aus dem Rundfunkbeitrag dürften nur »in einem funktionalen Zusammenhang mit der Gesamtveranstaltung Rundfunk« verwendet werden – Umweg über die Landesmedienanstalt hin oder her.

Immer neue Sparrunden

Sollte man die Stiftungsidee also besser heute als morgen abschreiben, zumal die Verlegerseite nicht müde wird zu beteuern, das bislang bestenfalls schemenhaft erkennbare »Leistungsspektrum« in Sachen Vielfalt und Transparenz löse keines ihrer Probleme? Egal was man von der Sache an sich hält: Diese Variante springt zu kurz. Denn es geht ja gerade nicht um das Geschäftsmodell der Verleger, die Zeitung. Selbst wenn die avisierte Summe von 1,6 Millionen Euro pro Jahr noch durch Zuwendungen von Dritten und Spenden steigt: Es ist nicht viel mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Eine »Rettung« in Schieflage geratener Titel ist mit solchen Beträgen nicht möglich und war auch nie vorgesehen. Es geht vielmehr um den Journalismus. Das ist ein großer Unterschied.

Und hier ist eine Debatte überfällig, auch und gerade weil auf Verlegerseite im regionalen bzw. lokalen Bereich kaum journalistische Ansätze zur Bewältigung des digitalen Wandels zu sehen sind. Sondern lediglich kaufmännisch auf die Veränderungen im Markt reagiert wird: durch immer neue Sparrunden, das Zusammenlegen, Verkaufen oder Aufgeben von Lokalausgaben. Diesen Kurs hat Wilhelm Klümper, stellvertretender Chefredakteur der WAZ, bei der Jahreskonferenz noch einmal eindrucksvoll unterstrichen. Doch gerade beim jetzt zur Funke-Gruppe umbenannten WAZ-Konzern kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das früher einer Lizenz zum Gelddrucken gleichkommende Geschäft mit der lokalen Zeitung derzeit auf Verschleiß gefahren wird, um die Renditen in bewährten Höhen zu halten.

Die Warnung vor zu viel Staat – genauer: zu viel politischem Einfluss – im Journalismus gilt es dabei ernst zu nehmen, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten: Eumann hat mittlerweile mehrfach erklärt, dass in den operativen Gremien der Stiftung – also beispielsweise in denen, die über die Vergabe von Stipendien, etc. entscheiden – definitiv keine Politiker sitzen werden. Und wer in der Aufhängung über die Landesmedienanstalt per se mangelnde Staatsferne sieht, entzieht so dem kompletten privaten wie öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dessen journalistischen Leistungen das Vertrauen.

Nicht immer gleich »Tabubruch« schreien!

Dies ist dabei kein uneingeschränktes Plädoyer für eine »Stiftung Vielfalt und Partizipation«, dazu ist das ganze Gebilde noch einfach viel zu unkonkret. Ganz abgesehen davon, dass die Frage, ob Stiftungen, gleich welcher Art, im Lokalen überhaupt einen wirksamen Beitrag zum Erhalt publizistischer Vielfalt leisten können, ebenfalls noch unbeantwortet ist. Was spricht aber beispielsweise dagegen, Ideen wie eine von lokalen Initiativen oder Vereinen getragene journalistische Plattform mit einem möglichen Stiftungsangebot zu kombinieren? Eine Diskussion hierüber wäre jedenfalls hilfreicher als der aktuell zelebrierte »Tabubruch«-Streit. Wobei dies die persönliche Meinung des Autors ist, nicht die Position des Netzwerk Recherche.

Hannelore Kraft hatte die Stiftungsidee übrigens schon auf dem Medienforum 2012 präsentiert – natürlich noch ein bisschen unkonkreter als heute. Doch dass hier öffentliches Geld im Spiel sein würde, war auch seinerzeit schon klar. Damals wurde der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, NRW-Verleger Helmut Heinen (Kölnische Rundschau), mit den Worten zitiert, er würde sich nicht von jedem helfen lassen – von Frau Kraft aber schon.

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