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Das Geschäft mit der Scheinehe

Kriminelle Banden verschachern Ehen mit lettischen Frauen anNicht-EU-Bürger. Dabei nutzen sie lasche Kontrollen in Irland aus.Eine Lettin und ein Ire arbeiteten gemeinsam an der Aufdeckung.

von Aleksandra Jolkina

Hallo, mein Name ist Natalia und ich habe gerade meine Arbeit alsSekretärin verloren«, sagte ich und wartete. Die Frau amanderen Ende der Leitung seufzte mitfühlend. »Machen Siesich keine Sorgen. Ich biete einen guten Job in Irland an, vieleMädchen sind bereits dort. Du musst nichts für Tickets oderUnterkunft zahlen. Besuche mich, ich erzähle Dir dieDetails.«

Die kalte Luft trieb mein Adrenalin in die Höhe,während ich in das kleine Dorf fuhr, 100 Kilometer entfernt vonder lettischen Hauptstadt Riga. Ich bereitete mich auf die Rolle vor,die ich gleich spielen würde. Unter dem Namen»Natalia« wer­de ich in ein paar Minuten eine derillegalen Banden infiltrieren, die in Irland Scheinehen zwischenlettischen Frauen und Männern aus Asien arrangieren. Als Nataliahoffte ich darauf, selbst eine Scheinehe angeboten zu bekommen –und nach und nach die Bandenchefs aufzuspüren.

Boom der Scheinehen

Jedes Jahr kommen hunderte verarmte und verzweifelte Frauen nachIrland und nach Großbritannien, um Nicht-Europäer zuheiraten. Das Ziel ist, eine Aufenthaltserlaubnis für ihre neuen»Ehemänner« zu erwirken. Im Gegenzug sollen dielettischen Gemahlinnen in Irland 1.000 oder 2.000 Euro erhalten. Soverhelfen sie einem Pakistani oder einem Inder zur Einwanderung in einenglischsprachiges Land.

Die Wurzeln des Betruges reichen zurück ins Jahr 2006.Damals trat die Freizügigkeitsrichtlinie der EuropäischenUnion in Kraft, die mit EU-Bürgern verheiratetenNicht-EU-Bürgern eine fünfjährige Aufenthaltserlaubnisbeschert. Einzig eine Heirat mit einem irischen Bürger war vondieser Regelung ausgeschlossen. Denn hier gilt die Befristung nicht.Dieser liberale Ansatz, kombiniert mit schlaffer und unkoordinierterÜberwachung seitens der irischen Ämter, ließ den Betruggedeihen.

Ich war bereits 2007 über das Phänomen gestolpert,als ich als Reporterin für die lettische Tageszeitung Dienaarbeitete. Zu diesem Zeitpunkt kam das Thema gerade erst am Horizontauf. In den folgenden eineinhalb Jahren wucherte es mit atemberaubenderGeschwindigkeit. Zur selben Zeit traf Lettland die Wirtschaftskrise mitvoller Wucht. Weil viele Frauen die Möglichkeit verloren, ihrenLebensunterhalt in ihrem Heimatland zu bestreiten, schoss die Zahl derlettischen »Scheinbräute« in die Hunderte. Die meistenhaben einen niedrigen Bildungsstand und stammen aus sozialbenachteiligten Familien. Ich arbeitete mittlerweile als Freiberuflerinund entschied mich, ein Buch darüber zu schreiben. Ich wollte auserster Hand wissen, wie die Sache läuft.

Scheinehen, Scheinbräute

Eines sonnigen Tages im Juni 2009 setzte ich das erstegefälschte Profil ins größte soziale NetzwerkLettlands, Frype.com. Ich gab mich als ein Mädchen aus, das nacheinem guten Job im Ausland Ausschau hält und lud das Bild einerblonden 20-Jährigen hoch. Dann ging alles sehr schnell. Innerhalbvon einigen Stunden kontaktierte mich ein in Irland wohnender Pakistanimit dem Namen Haroon und bot mir an, seinen »guten Freund«Syed Yalal für 2.000 Euro zu heiraten.

Er gab mir Syeds Kontaktdaten. Nach einigen Tagen undInternet-Chats mit meinem »Bräutigam« sandte er mirein Flugticket nach Dublin und versprach mir, mich am Flughafen mitBlumen in Empfang zu nehmen. Er war in keiner Weise argwöhnisch,auch, weil ich mich recht natürlich verhalten und einigepersönliche Details berichtet hatte – zum Beispiel, dass ichbis vor kurzem in einem Laden gearbeitet und mich gerade erst vonmeinem Freund getrennt hatte.

Ich fragte Haroon und Syed, ob ich mit ein paar anderenlettischen Mädchen sprechen könnte, die sich bereits füreine Heirat entschieden hatten, nur um mich zu informieren, ob dieSache auch sicher sei. Haroon antwortete, er kenne zwei Mädchenund leitete mir ihre Kontaktdaten weiter mit der Bitte, seinen Namennicht zu erwähnen. Ich vermutete, dass sie alle irgendwiemiteinander in Kontakt standen und entschied mich, seinen Namen direktbeim ersten Kontaktversuch per Frype zu nennen. Die Jüngere vonbeiden, die 17-jährige Kristine, antwortete mir und war sehraufgebracht über die Neuigkeiten. Offensichtlich arbeitete sie mitHaroon zusammen, und er versuchte, sie zu hintergehen.

Kristine lud mich ein, sie in ihrem kleinen Heimatdorf zubesuchen. Weil ich nicht wie das Mädchen auf dem gefälschtenProfil aussah, gab ich vor, ihre Freundin zu sein. Ich zogAlltagsklamotten an, band meine Haare zu einem Pferdeschwanz und trugkein Make-Up.

Schließlich erreichte ich das Dorf. Im Gespräch mitKristine seufzte ich tief und erzählte ihr, ich sei geradegefeuert worden. Sie nickte. Dann jedoch berichtete sie mir, wie dieMasche läuft – der Bräutigam zahlt der Bande 2.000Euro. Davon gehen 1.000 an Haroon und weitere 1.000 an einen seinerPartner. »Was für ein Mist, dass ich nicht einmal mein Geldbekomme!« schimpfte sie.

Sicherheit auf der Kippe

Von den ersten Rechercheergebnissen ermutigt platzierte icheinige andere Profile auf zwei lettischen sozialen Netzwerken sowieeine Anzeige zur Jobsuche auf einer anderen Seite. Zudem antwortete ichauf verschiedene verdächtige Stellenanzeigen, die »einen Jobin Irland für Frauen« anboten. Meine Annahme, dass es sichum versteckte Angebote für Scheinehen handelte, erhärtetesich.

Innerhalb eines Jahres…

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