International
»Bin ein Mensch mit Herz«

Die europäischen Medien amüsieren sich überdie Sexaffären Berlusconis – und übersehen diestaatszerstörerische Strategie des Cavaliere. Ungeniert greift erdie rechtsstaatliche Grundordnung an.

von Natascha Fioretti

Italienische Journalisten und Karikaturisten gaben Karl-Theodor zuGuttenberg den Rat, nach Italien zu kommen und beim italienischenRegierungschef Silvio Berlusconi Nachhilfeunterricht in politischerÜberlebenskunst zu nehmen. Der junge Starpolitiker habe noch vielzu lernen, wenn er sein Amt wegen einer solch lächerlichenVerfehlung wie einer plagiierten Dissertation habe aufgebenmüssen.

Der italienische Premier könnte, was die Würde des Amtesbetrifft, in der Tat das Gegenbild abgeben: als jemand, der selbstGrundlagen der rechtsstaatlichen Ordnung zerstört, wenn es seinermachtgierigen Egomanie nutzt. Anfang April, in den Tagen, währendMessage gedruckt und ausgeliefert wird, hat er wegen der Sexaffäremit der jungen Marokkanerin »Ruby« vor Gericht zu stehen.Die zuständige Ermittlungsrichterin gab dem Antrag auf einSchnellverfahren statt. Ein solches Verfahren wird nur in Fällenmit erdrückender Beweislast eingeleitet.

Ungenierte Kommentare zur Reform

Aber Berlusconi denkt gar nicht daran, sein Amt so lange ruhenzu lassen, im Gegenteil, er geht mit dem ihm zur Verfügungstehenden Waffenarsenal zur Attacke über. In einem»Justizreform« genannten Maßnahmenpaket sollen dieRichter für Fehlurteile persönlich haftbar gemacht werden.Berlusconi kommentierte dies ungeniert: »Mit diesemDamoklesschwert über ihrem Haupt werden es sich dieJustizbehörden zweimal überlegen, ob sie Ermittlungen gegenmich einleiten«.

Flankiert wird diese Strategie mit einer rhetorischen Kampagne, mit derdas Rechtssystem beschimpft und entwertet wird. Noch im Märzbezichtigte er die Magistratur eines Komplotts. Ihr sei jedes Mittelrecht, um ihn zu stürzen – wie dies ja auch verschiedenekommunistische Politiker und Medien versuchten.

Mit seiner Strategie, so kommentiert der Journalist Mariano Sabatini,der für das Wirtschaftsblatt Italia Oggi schreibt, erreiche esBerlusconi, sein Land in zwei Lager zu spalten. Die Ironie derGeschichte will es, dass zeitgleich die Nation Italien gerade ihren150. Geburtstag feiert und damit eine Staatsgründung, die vonAnfang an unter dem Menetekel der Spaltung stand. Man erinnert sich andie Story, die in allen Medien Europas lief: Nach dem x-ten Skandal,der Ende Oktober ans Tageslicht gekommen war, erfuhr dieÖffentlichkeit, dass die minderjährige Marokkanerin KarimHeyek alias Ruby Rubacuori (zu deutsch: Herzensräuberin) von derPolizei in Gewahrsam genommen worden war, weil sie verdächtigtwurde, 300 Euro gestohlen zu haben. Berlusconi persönlich hattebei der Polizeidirektion angerufen und gefordert, das Mädchenfreizulassen – mit dem Verweis, es handle sich um eine Nichte desägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak. Ruby wurde auf freienFuß gesetzt, doch die Recherchen der Medien verstärktensich, als sie herausfanden, dass das Mädchen – im Tross mitdutzenden weiterer Escort-Schönheiten – an sogenanntenBunga-bunga-Festivitäten in der privaten Residenz des Premiers inArcore teilgenommen hatte. »Bunga bunga«, so erklärteRuby, sei ein Ritual, zu dem der Padrone einige Gäste zumAbendessen mit pikantem Nachspiel einlade. Silvio habe ihr gesagt, erhabe dieses »Zeremoniell« von Gaddafi übernommen. Essei ein »Ritus aus dessen afrikanischem Harem«.

Die Reaktion Berlusconis in den Medien war wederüberzeugend noch sonderlich gewandt, wie der Journalist AlessandroGilioli vom Nachrichtenmagazin L‘Espresso in seinem Blogdokumentierte. Hier eine Auswahl aus seinen öffentlichenAusflüchten: »Ich bin ein Mensch mit Herz, ich tue alles, umMenschen zu helfen, die Hilfe brauchen.« – »Ich habegegenüber niemandem etwas klarzustellen.« – »Inmein Haus kommen nur anständige Menschen herein, und vor allem nursolche, die sich anständig benehmen.« – »Niemandwird mich in meinem Alter dazu bringen, meinen Lebensstil zuändern, auf den ich stolz bin. Ich liebe das Leben, ich liebe dieFrauen.« – »Bunga bunga – das ist eine dieseruralten Geschichten, ich kann darüber nur lachen. Auch diesmalhabe ich darüber gelacht.«

Man kann sich über diese »undurchsichtige,zweideutige Weise« (so Gilioli) der Selbstverteidigung wundernangesichts der vielzitierten rhetorischen und kommunikativenFähigkeiten Berlusconis. Tatsächlich aber ist dies dieselbeStrategie, mit der er im Jahr 2008 noch einmal die Wahlen gewann: Sichauf Kosten des Staatsansehens beim Wählervolk in der Rolle desgroßartigen Übervaters einschmeicheln – einPopulismus, der demjenigen vergangener italienischer Potentatenähnelt und der 1944 mit Mussolini vorerst endete.

Bislang hat die Rhetorik Berlusconis gut funktioniert, weil sieder Logik des politischen Marketing verhaftet ist: Die Reden bestehenaus Slogans der Werbesprache. Die Attribute und die Metaphern sind derWelt des Spektakels, des Show Business entlehnt. Seine medialverstärkten Inszenierungen folgen einer Erzählstrategie, dievom Heroen und seinem Gegenspieler handelt, vom Guten und vomBösen –und jedes Mal, wenn sich Berlusconi in Schwierig­keiten sieht,zaubert er seine Verschwörungs­theorie hervor, die vom»Kom­plott«, von der»Ag­gres­sion«, vom »Angriff« gegen ihnhandelt, gegen seine Partei, gegen seine Familie. Und etikettiert danngleich im Anschluss seine Partei – auch das schmierig-zweideutig– als die »Partei der Liebe«.

Zu seiner Kommunikationsstrategie gehört auch, im Fernsehen jede direkte Konfrontation zu vermeiden. Er selbst…

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