Technologisierung
Wischen statt Blättern

Das iPad bietet Zeitungsverlagen attraktive Perspektiven:Doch wie macht man eine gute »App«? Die der FrankfurterRundschau wurde viel gelobt. Sie orientiert sich an Print- undOnlinestandards.

von Stefan Heijnk

Nicht etwa Spiegel, Focus oder Zeit, nicht etwa FAZ oderSüddeutsche – nein, ausgerechnet die krisengeschüttelteFrankfurter Rundschau demon­strierte im September 2010, wie einPrintmedium auf dem iPad neu erfunden werden kann. Nutzer undFachpresse waren mehr als angetan: Von den Käufern gab es fastausnahmslos stehenden Beifall, und selbst kritische Branchenbeobachtergaben sich dem Jubel hin. Der Kress bewertete die FR-App als »diebisher beste deutsche iPad-App einer Tageszeitung«. Von einemwirklich »großen Wurf« sprach Meedia.de undattestierte der FR zumindest in der DuMont-Welt eine»Vorreiterrolle in Sachen digitales Publizieren«. DWDL.demeinte gar, die FR-Redaktion habe »weltweit Wegweisendes«vorgelegt. Obendrauf gab es für die iPad-FR zum Jahresende dannauch noch einen Sonderpreis des European Newspaper Award in derKategorie »iPad und mobile Endgeräte«. Bislang gibt esnatürlich erst ein paar Dutzend Apps deutscher Zeitungen undZeitschriften, doch so viel Lob will erst einmal verdient sein.

Nichts anderes als Software

Eine Tablet-Application, also eine Anwendung für ein digitalesEndgerät wie dem iPad, ist zuallererst nichts anderes als einStück Software. Für Software gibt es einen einigermaßentragfähigen Konsens über Qualitätskriterien. Zu findensind diese Kriterien in den entsprechenden DIN-Normen, ganz wesentlichin den sieben Grundsätzen der Dialoggestaltung (DIN EN ISO9241-110): Danach kann Software dann als nutzerfreundlich gelten, wennsie aufgabenangemessen, selbstbeschreibend, steuerbar,erwartungskonform, fehlertolerant, individualisierbar undlernförderlich gestaltet ist. Der vielleicht wichtigste Faktor indieser Reihe ist die Erwartungskonformität. Praktisch meint sie:Content-Design und Navigations­logik einer App sind konsistent sozu strukturieren, dass alles so aussieht und funktioniert, wie es dieNutzer gewohnt sind. Sprich: Die gesamte App braucht einverlässliches, vertrautes Ordnungsmuster und durchgängigeingesetzte Standard-Elemente. 

Die iPad-FR erfüllt dieses Kriterium in geradezu prototypischerWeise. So beinhaltet ihr Navigations­prinzip, dass jederFormat-Modus (hoch oder quer) seine eigene, eindeutige Funktionerfüllt: Hält ein Nutzer das iPad im Hochformat in denHänden, dann bekommt er eine Fassung ohne Schnörkel, mit Textund mit Bild. Hält er es dagegen im Querformat in den Händen,dann wandelt es sich zum Multimedia-Magazin. 

Das Querformat liefert den Nutzern »vieleÜberraschungen«, so Michael Bayer, Ressortleiter Multimediader FR. »Sie müssen lediglich auf einen kleinen grünenKreis drücken, der auf weitere Informationen, Bilder oder Videoshinweist.« Die FR-App hat also quasi einen eingebautenDrehschalter: Ins Querformat drehen bedeutet, die Multimedia-Fassungaufzurufen, ins Hochformat drehen bedeutet, die auf Texte und Fotoskonzentrierte Lese-Fassung aufzurufen.

Role-Model der Formatnutzung

Die Redaktion hat das gerätetypische Doppelformat des iPad damitauf eine Weise genutzt, in der sich für die App eine klare, innereOrdnung ergibt. Der Ansatz könnte sich zum Standard mausern, denntauglich erscheint diese Navigationslogik als Role Model auch fürandere App-Anbieter. Nicht ganz überraschend findet es sichbeispielsweise auch – unabhängig von der FR – imsogenannten Libroid-Format für E-Bücher, entwickelt vonEx-Spiegel-Mann und Bestseller-Autor Jürgen Neffe. 

Kern der Libroid-Technik ist ein Dreispalten-Raster fürsQuerformat, verknüpft mit einem Einspalten-Raster fürsHochformat: In der Mittelspalte steht der Text, rechts und links wirddieser Kern-Inhalt von schmaleren Randspalten flankiert. Dortkönnen Fotos eingebunden werden beziehungsweise Links insInternet, Karten oder Grafiken – ganz ähnlich wie imHypertext des Webs. Die drei Spalten sind kontextuell so verwoben, dassinhaltlich zueinander gehörende Texte, Bilder, Links oder Fotos inder Bildschirmhorizontalen stets miteinander auf Augenhöhe stehen.Wird eine der Spalten gerollt, bewegen sich die anderen entsprechendihrer inhaltlichen Verzahnung mit eigener Geschwindigkeit mit. Nutzer,die diese Ergänzungen ausblenden wollen, drehen das iPad in dieSenkrechte und die Randspalten verschwinden zugunsten des»reinen«, ungestörten Lesens – ähnlich wiein der iPad-FR.

Vertraute Metaphern nutzen 

Um Erwartungskonformität zu gewährleisten und die Leser zumStart nicht zu überfordern, hilft der Rückgriff auf vertrauteKonventionen aus der Print- und der Web-Welt. Einige ausgewählteBeispiele: Ganz oben auf der Liste der Print-Metaphern, die auch für Appsadaptiert werden sollten, steht die Eigenschaft …

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