Forschung
Alle Nachrichten über einen Tisch

Eine Leipziger Studie untersuchte Newsdesk-Modelle dreier Regionalzeitungen. Ergebnis: Verbesserte Qualität und Kommunikation, aber auch Mehrarbeit und Zeitdruck.

von Verena Schneider

Weniger Leser, sinkende Anzeigenerlöse, verschärfter Wettbewerb, wirtschaftliche Zwänge spielen für viele Zeitungen eine immer größere Rolle. Auch vor diesem Hintergrund haben in den letzten Jahren immer mehr Zeitungsverlage entschieden, ihre Redaktionen umzustrukturieren: Sie verabschieden sich zunehmend von der klassischen Gliederung in Ressorts und vertrauen auf »Newsdesks« – eine Organisationsform, die Teamarbeit, permanente Kommunikation und Themenorientierung in den Mittelpunkt stellt (Meier 2002: 103).

Eine Studie am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig hat die Newsdesk-Modelle dreier deutscher Regionalzeitungen untersucht. Die wesentlichen Erkenntnisse: Newsdesks verbessern die Qualität der Zeitung, führen aber zu längeren Arbeitszeiten, erhöhtem Arbeitsdruck und einem größeren Arbeitspensum der Redakteure. Auf Verlagsseite werden die Newsdesks mitunter als Möglichkeit gesehen, Kosten einzusparen.

Verschiedene Formen des Newsdesks

Die Studie analysiert das Modell des Südkuriers, welches mit regionalen Newsdesks die Lokalberichterstattung koordiniert, den Newsdesk der Ruhr Nachrichten, der die Mantelberichterstattung vereinheitlicht, sowie den Doppel-Newsdesk der Rheinischen Post, der eine Schnittstelle zwischen Print- und Online-Angebot bildet.

Die vier Regionaldesks des Südkuriers fungieren als Steuerungsstellen für die angeschlossenen 19 Lokalredaktionen. Die Desks gliedern das Verbreitungsgebiet in vier Regionen, an jeden Desk sind vier bis sechs Lokalredaktionen angeschlossen. Beim Südkurier arbeiten die Redakteure entweder als Editoren oder als Reporter.

Als Editoren fungieren die sogenannten Desk-Redakteure, durchschnittlich drei pro Regionaldesk. Sie sind für die Absprachen mit den Lokalredaktionen zuständig und kümmern sich um die Zeitungsinhalte. Sie legen Textumfänge und Bildgrößen fest, redigieren, wählen Bilder aus, texten Überschriften und nehmen die Seiten am Ende eines Produktionstages ab.

Die Redakteure in den Lokalredaktionen (Reporter) nehmen hingegen Termine wahr, schreiben, recherchieren und kommentieren.

Im Newsdesk der Ruhr Nachrichten planen die Redakteure zentral den kompletten Zeitungsmantel, die Kulturseite ist davon ausgenommen. Eine feste Aufgabenverteilung gibt es hier nicht. Die Redakteure wechseln von Tag zu Tag zwischen Seitenplanung und -gestaltung einerseits und Recherchieren und Schreiben andererseits.

Mit dem Ziel, crossmedial zu arbeiten, hat die Rheinische Post in einem Großraumbüro ein Doppel-Newsdesk-Modell aus Print- und Onlinedesk installiert. Am Printdesk planen Vertreter der klassischen Ressorts die Zeitung, während direkt daneben am Onlinedesk der Webauftritt der Rheinischen Post bestückt wird.

Themenbezogen bilden sich Teams, die für beide Desks recherchieren und planen. Darüber hinaus tauschen sich Onliner und Printredakteure kontinuierlich über Rechercheergebnisse aus und setzen crossmediale Verweise zwischen Print- und Onlineangebot. Auch bei der Planung von Themenserien arbeiten die Desks Hand in Hand.

Redakteure sehen Qualitätssteigerung

Die Untersuchung zeigt: So unterschiedlich die drei Modelle sind, alle tragen sie nach Meinung der insgesamt 50 befragten Redakteure zu einer Qualitätssteigerung ihres Blattes bei (86 Prozent).

Die befragten Journalisten nehmen vor allem einen stärkeren Nutzwert, größere Aktualität und mehr selbst recherchierte Geschichten in ihrer Zeitung wahr. Eine klare Mehrheit von 84 Prozent meint, dass die Arbeitsabläufe im Newsdesk-Modell sinnvoller sind als vor der Umstrukturierung.

Eine weitere Errungenschaft der neuen Struktur ist die häufigere und intensivere Kommunikation innerhalb der Redaktion. 60 Prozent der Befragten meinen, dass sich mit der Einführung des Newsdesks die Kommunikation mit den Kollegen verbessert hat.

Diese Entwicklung verwundert kaum – setzen Newsdesk-Modelle doch durch die arbeitsteilige Struktur intensive Kommunikation als zentrales Element voraus. 44 Prozent der Befragten meinen, dass die Absprachen mit den Kollegen, welche die Zeitungsproduktion steuern, hilfreich sind für die Organisation und Bewältigung der eigenen Arbeit. Nur 28 Prozent sehen das nicht so.

Bei den untersuchten Zeitungen gibt jeder zweite der Befragten an, in der Newsdesk-Struktur mehr Verantwortung zu haben als vor der Umstellung. Neun von zehn der Redakteure begrüßen das. Der Zuwachs an Verantwortung zeigt sich unter anderem in: mehr Eigenverantwortung, Verantwortung für Themenauswahl und -planung, Verantwortung für Kommunikation, Übernahme ranghöherer bzw. anspruchsvollerer Aufgaben. Die Studie zeigt auch: Vier von fünf der befragten Redakteure sind mit ihrem Job zufriedener als vor der Umstrukturierung.

Kritisiert wird die eingeschränkte Flexibilität

Alle Befragten halten das Newsdesk-Verfahren für eine gute Idee. Wenn die Redakteure in die Phase der Einführung des Newsdesks mit einbezogen werden, nehmen sie das Modell positiv wahr. So fühlen sich 77 Prozent der Redakteure, die in die Umstrukturierung ihrer Redaktion integriert wurden, weitgehend zufriedener in ihrem Job als vor der Reorganisation. Die arbeitsteilige Struktur mit ihrer Festlegung auf das Schreiben (Reporter) bzw. Blattmachen/Produzieren (Editor) wird seitens der Redakteure auch kritisch bewertet.

Bei allen drei Zeitungen gibt es Mitarbeiter, die sich mehr Flexibilität in ihrer Tätigkeit wünschen. Newsdesk-Modelle basieren aber auf einer grundsätzlich eher starren Aufgabenverteilung. Ein Redakteur ist, zumindest für einen Tag, entweder Schreiber oder Blattmacher. Hier erscheinen Modelle, in denen zumindest eine gewisse Flexibilität gegeben ist – in Form täglich wechselnder Aufgaben – als mögliche »Auflockerung«.

Negative Begleiterscheinungen

Neben den positiven Veränderungen hat die Studie auch negative Begleiterscheinungen von Newsdesk-Strukturen ans Licht gebracht.
Die Umstrukturierungen bei den Ruhr Nachrichten und beim Südkurier sollten Kosten einsparen. Newsdesks dienen demnach in Zeiten sinkender Anzeigenerlöse und rückläufiger Abonnentenzahlen auch als Sparmodell. Es geht darum, das Produkt mit einem geringeren Kostenaufwand herzustellen.

Doch auch für die tägliche Arbeit …

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