Sprache
Zustand kritisch?! (Teil 3)

Das Spiegel-Interview (7/2015) mit Christoph Maria Fröhder war eine Abrechnung mit Tagesschau und Tagesthemen. Darin lässt sich der erfahrene Krisenreporter unter anderem über die »sprachliche Verlotterung« aus, schimpft über die Ausdrucksweise von Chefredakteur Kai Gniffke, ständiges Geduze und Grammatikfehler in den Beiträgen. Message fragt nach, was dran ist an Fröhders Kritik, die neudeutsch wohl als analoger (Vorsicht Anglizismus!) Rant durchgehen würde*. Wie steht es um die Sprachpflege im deutschen Journalismus? Redakteure und Sprachwissenschaftler antworten.

Teil III

Warum heißt »Message« eigentlich nicht »Botschaft«?

von Peter Littger

Einen Gastbeitrag über Anglizismen in unserer Sprache und speziell im Journalismus zu verfassen, der dann in einem deutschsprachigen Fachmagazin veröffentlicht wird, das sich »Message« nennt, ist ein trefflicher Zufall. Denn warum heißt das Magazin nicht »Botschaft«, »Nachricht« oder gar »Funkspruch«? Weil das hölzern klingen würde und jeweils semantisch verengt wäre – also weit weniger einladend und elegant als der englischsprachige Titel. Einladend und elegant? Selbstverständlich funktionieren und wirken nicht alle Anglizismen in der deutschen Sprache so, wenn ich nur an modische Floskeln wie »rocket science« oder »learnings« denke. Ich jedenfalls spreche lieber von »Zauberei« und von »Lehren«, »Einsichten« oder »Rückschlüssen«. Doch was ist mit »Managern« oder »Mimikry«? Mit »Computern« oder »Laptops«? Klar, kann man auch »Kaufmann«, »Nachäfferei«, »Rechner« und »Klapprechner« sagen. Trotzdem zeigen gerade diese vier Beispiele, dass wir Anglizismen nicht generell als überflüssig verurteilen oder sie gar als Zeichen der »Verrohung« unserer Sprache deuten dürfen. Wie auch »Message« – ein Wort, dem in meiner Wahrnehmung eine normative, reflexive und kontextuelle Dimension innewohnt, die allen deutschen Übersetzungen fehlt – betrachte ich Anglizismen zunächst als Bereicherung unseres Ausdrucks. Sie bieten eine Form der Differenzierung, die weniger akademisch ist als lateinische und griechische Ausdrücke, mit denen sich die gehobene Bürgerschicht in der Vergangenheit viel geholfen und noch viel mehr geschmückt hat.

Ich denke, wir alle sollten uns heute ruhig mit englischen Begriffen schmücken, wenn sie uns weiterhelfen – und keine neuen Probleme verursachen. Was ich damit meine, lässt sich mit scheinbar englischen Begriffen erklären, die auch von Journalisten verwendet und arglos ins Englische übersetzt werden: »homestory«, »shakehands« oder »corporate publishing«. Diese Worte existieren im Englischen gar nicht – wir haben sie uns irgendwann ausgedacht wie auch das »Happy end«, die »Bluejeans« oder den »Spleen«. Man nennt sie Pseudoanglizismen – und vor ihnen muss ich warnen! Nicht nur, weil sie in Wahrheit eine Verrohung der englischen Sprache darstellen. Da sie sinnleer an englischen Ohren abtropfen, lassen sie uns wie Deppen dastehen und offenbaren zugleich, dass unser Englisch oft nicht mehr ist als »smoke and mirrors«. Zu Deutsch: Schall und Rauch!

buchlittgerPeter Littger war Redakteur der Zeit, Gründungsredakteur des Cicero und arbeitet mittlerweile als Berater für Medieninhalte. Für Spiegel Online schreibt der Autor des im April erscheinenden Buches »The Devil lies in the Detail« die Kolumne »Fluent English«.

 

 

*auch wenn es sich streng genommen nicht um einen Monolog handelt

18. März 2015