Aus dem Netzwerk Recherche
Nur Verbote können helfen

Kommt ein Bestechungsskandal aus Politik oder Wirtschaft ans Licht, weiden sich die Medien genüsslich daran. Doch die Branche ist selbst nicht vor Korruption gefeit, wie eine jüngst veröffentlichte Studie zeigt.

von Günter Bartsch

Für eine Regionalzeitung berichtete ich vor ein paar Jahren von der Grünen Woche, der großen Ernährungs- und Landwirtschaftsmesse in Berlin. Der Redakteur der Zeitung hatte mich vorher detailliert gebrieft: Ich sollte über den Messestand von Lidl berichten. Es war das erste Mal, dass der Discounter einen Stand auf der Agrarmesse hatte. Der sah aus wie ein kleiner Supermarkt: Drinnen konnte man sich darüber informieren, von welchem Hersteller die Lidl-Produkte stammen. Das kam damals überraschend: Lidl betrieb kaum Öffentlichkeitsarbeit – stand aber immer wieder in der Kritik. Es war erst ein paar Jahre her, da hatte die Gewerkschaft ver.di das »Schwarz-Buch Lidl« veröffentlicht. Um diesen Spagat sollte es gehen, sagte mir der Redakteur: Der öffentlichkeitsscheue Konzern gibt sich plötzlich transparent. Und genau diese Geschichte schrieb ich dann auch auf, nah dran am Briefing des Redakteurs.

Ein paar Stunden nachdem ich ihm den Text geschickt hatte, rief der Redakteur mich an: Er habe noch ein paar Formulierungen »glätten« müssen. Und das mit ver.di habe er doch lieber weggelassen. Ich wüsste ja: Lidl sei ein wichtiger Anzeigenkunde.

Vorauseilender Gehorsam

Das wusste ich schon. Gerade für Regionalzeitungen sind die Discounter-Seiten eine wichtige Einnahmequelle. Was ich aber nicht wusste – oder in meiner Naivität nicht geahnt hatte – war, dass Redakteure in vorauseilendem Gehorsam darauf Rücksicht nehmen. Dabei hätte der auch schon in meiner ursprünglichen Fassung harmlose Text vermutlich keinen halbwegs vernünftigen Manager zu einer Intervention oder gar zur Anzeigenstornierung bewegt. Die Konzerne schalten die Annoncen ja nicht mit dem Zweck, die Zeitung zu sponsern, sondern weil sie ihr eigenes Geschäft damit ankurbeln wollen.

Obwohl das so ist, können viele Kollegen ähnliche Geschichten erzählen. Damit es nicht bei Anekdoten bleibt, hat Netzwerk Recherche zusammen mit der Otto Brenner Stiftung, Transparency International Deutschland und dem Institut für Journalistik der TU Dortmund Beispiele in der Studie »Gefallen an Gefälligkeiten – Journalismus und Korruption« gesammelt und bewertet.

Erstaunliches aus der Automobilbranche

Der Journalist Boris Kartheuser hat unter anderem Fälle von Schleichwerbung recherchiert. Blättert man zum Beispiel im Echo der Frau, findet man dort immer wieder Empfehlungen für einzelne Marken. Laut einem Insider nimmt die Anzeigenabteilung systematisch Einfluss auf Inhalte im Heft. Dass es nicht nur um Blätter der Regenbogenpresse geht, sondern sich auch seriöse Medien darauf einlassen, Lobbyisten und PR-Leute an den redaktionellen Inhalten mitwirken zu lassen, zeigen Kartheusers Beispiele über Kooperationen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft beispielsweise mit der Wirtschaftswoche und der Zeit. Erstaunliches erfuhr er auch über die großzügigen Angebote der Automobilbranche. Der Anwalt des – inzwischen wegen Betrugs verurteilten – ehemaligen Mazda-Pressechefs Franz Danner schilderte Kartheuser Details über Luxusreisen für Autojournalisten. Vordergründig ging es dabei um Präsentationen neuer Modelle, aber das fürstliche »Rahmenprogramm« und die Auskünfte des Anwalts sprechen eine andere Sprache: Immer wieder hätten Journalisten Testfahrzeuge bestellt – und dann über längere Zeiträume behalten. Der Anwalt erzählte, dass Danner manchmal nachgefragt habe, wann das Fahrzeug denn nun wieder zurückgebracht werde. Dann habe es geheißen, das bringe man dann beim nächsten Modellwechsel wieder vorbei. Zitat des Anwalts: »Es hörte sich so an, als müsse man als Automobil-Journalist bescheuert sein, sich ein Auto zu kaufen.«

Ein weiteres Beispiel sind die Luxusreisen, die Thyssen-Krupp mehreren Wirtschaftsjournalisten geboten hat. Mit dem Firmenflieger nach Frankfurt und von dort weiter First Class nach Johannesburg, im südafrikanischen Busch dann ein opulenter Aufenthalt in einer Suite der Singita Lebombo Lodge. Doch wenn Betriebsräte oder Politiker auf Kosten eines Konzerns durch die Welt jetten, um es sich an exotischen Orten gutgehen zu lassen, ist die Empörung von Journalisten – zu Recht – groß.

Öffentliches Bild nimmt Schaden

Leser ahnen offenbar, dass solche Dinge in Redaktionen geschehen. Darauf deutet das Korruptionsbarometer von Transparency hin: Dass Medien in Deutschland erstmals als korrupter wahrgenommen werden als die öffentliche Verwaltung und das Parlament, das sollte die Verlage und Sender nachdenklich machen. Denn wenn Leser den Eindruck haben, dass sie nicht unabhängig informiert werden, dann verursacht das einen enormen Schaden. Vielleicht lässt sich der nicht so leicht beziffern wie der Preis einer Anzeigenseite. Aber weniger Leser bedeutet eben auch: geringere Anzeigeneinnahmen.

In nächster Zeit möchte Netzwerk Recherche Vorschläge erarbeiten, wie Medienhäuser Korruption vorbeugen können. Natascha Tschernoster, Diplomandin an der TU Dortmund, hat in ihrem Beitrag in der Studie dazu schon Anregungen gegeben. Denkbar seien zum Beispiel die Einrichtung einer Ombudsmannstelle mit Hinweisgebersystem, ausdrückliche Verbote von Schleichwerbung und Kopplungsgeschäften (Anzeigenverkauf gegen Zusage eines redaktionellen Beitrags) in redaktionellen Richtlinien, die Kenntlichmachung von fremdfinanzierten Reisen und Vereinbarungen mit freien Mitarbeitern, welche diese zum Beispiel zur Mitteilung möglicher Interessenkonflikte verpflichten.

Antikorruption-Regeln im Arbeitsvertrag

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger verwies in einer Reaktion auf unsere Studie auf den Pressekodex, auf den sich die Verlage verpflichtet hätten. Wir denken, dass das nicht reicht. Es gibt wichtige Gründe, als Redaktion zum Beispiel ein Redaktionsstatut zu beschließen. Denn gerade für Journalisten können solche Leitlinien hilfreich sein, zum Beispiel, wenn man sich gegen Begehrlichkeiten aus der Anzeigenabteilung wehren muss: Wenn ich als Redakteur auf ein ausdrückliches Verbot von Kopplungsgeschäften verweisen kann, dann erleichtern mir solche Regeln das unabhängige Berichten. Noch besser ist es, die Leitlinien sind Teil meines Arbeitsvertrages. Da dürfte auch jeder Mitarbeiter der Anzeigenabteilung Verständnis haben, dass ich nicht dagegen verstoßen kann.
Was ist mit denen, die unmoralische Angebote offerieren? Man kann natürlich immer sagen: Die Journalisten sind ja nicht gezwungen, solche Angebote anzunehmen. Doch das wäre in etwa so, als würde man sagen: Der Junkie sei schuld, wäre er nicht so abhängig, dann gäbe es auch keinen Dealer. Die Lobby- und PR-Branche hat sich selbst klare Regeln gegeben. Im 2012 beschlossenen Kommunikationskodex des Deutschen Rats für Public Relations heißt es unmissverständlich: »PR- und Kommunikationsfachleute setzen ihre Kommunikationspartner nicht durch die Androhung von Nachteilen unter Druck und beeinflussen sie nicht durch die Gewährung von Vorteilen.«

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