#nr15 Spezial | Journalist:INNEN
Weibliche Online-Pioniere

Edition F, Deine Korrespondentin, Femtastics – die weibliche Seite des Journalismus gewinnt Kontur. In der digitalen Medienwelt nehmen ambitionierte Frauen ihre Karriere selbst in die Hand

von Eva Book und Petra Maier*

Portraitieren im Netz starke weibliche Persönlichkeiten: Anna Weilberg, Katharina Charpian und Lisa van Houtem von Femtastics. Foto: Janna Tode

Portraitieren im Netz starke weibliche Persönlichkeiten: Anna Weilberg, Katharina Charpian und Lisa van Houtem von Femtastics. Foto: Janna Tode

Die Zukunft des Journalismus könnte weiblich und digital werden. Im Mai dieses Jahres hat Pauline Tillmann Deine Korrespondentin gelauncht, eine Website, die Geschichten von Frauen aus aller Welt präsentiert, zusammengetragen von sieben Reporterinnen. Ebenfalls im Mai dieses Jahres ging Femtastics an den Start. Die drei Hamburger Journalistinnen Anna Weilberg, Lisa van Houtem und Katharina Charpian porträtieren auf ihrer Website starke weibliche Persönlichkeiten. Ein Jahr zuvor gründeten Nora Wohlert und Susann Hoffmann die Online-Plattform für Business und Lifestyle Edition F, die nun mit frischem Geld weiter ausgebaut werden soll.

Gründerinnenmut

Was alle drei Projekte gemeinsam haben: Gründerinnenmut. Und das in Zeiten, in denen alle von der Medienkrise sprechen, und von Frauen, die dieses Risiko deutlich seltener eingehen als Männer. Laut dem Deutschen Start-up Monitor waren 2014 nur 10,7 Prozent der Unternehmensgründer weiblich. Für Tillmann von Deine Korrespondentin ist mangelnde Risikobereitschaft einer der größten Steine, die sich Frauen selbst in den Weg legen: „Wir glauben, dass es als Makel an uns hängenbleibt, wenn wir mit einem Projekt scheitern und das ist so falsch! Ich glaube, dass Frauen sich insgesamt zu wenig zutrauen.“ Auch Wohlert, Mitgründerin von Edition F , spricht von einer falschen Zurückhaltung bei Frauen: „Ich glaube, was Frauen von Männern lernen können, ist einfach mal nach vorne zu preschen.“

Dabei geht es nicht darum, die Männer zu verdrängen. Den Gründerinnen, alle um die 30 Jahre alt, geht es um Geschlechtervielfalt in der deutschen Medienlandschaft. Bei der OnlinePlattform Edition F zählt trotz des thematischen Frauenfokus die Mischung: „Bei uns im Team arbeiten sowohl Frauen als auch Männer. Ich glaube auch, dass gemischte Teams immer die besten Ergebnisse erzielen“, sagt Wohlert.

Nur zwei Prozent Frauen

In Redaktionen sind gemischte Teams bereits Alltag – jedoch nicht auf Führungsebene. Nur zwei Prozent Frauen besetzen laut dem Verein ProQuote die Chefredaktionen deutscher Tageszeitungen. Im Rundfunkund Online-Bereich sieht es ähnlich aus. Dieser Zustand macht Auslandskorrespondentin Tillmann fassungslos: „Es ist irgendwie lächerlich, dass wir bisher nur eine Chefredakteurin von einer überregionalen Zeitung haben. Das kann nicht wahr sein in einem so modernen Land!“ Ihr zufolge gehören dringend mehr Frauen in die Chefetagen der Medienbetriebe, „unsere Generation fordert das jetzt ein“, sagt sie. ProQuote setzt sich für „eine verbindliche Frauenquote von 30 Prozent auf allen Führungsebenen bis 2017 – in allen Printund Onlinemedien, TV und Radio“ ein. Während Til mann sich selbst als „Fan der Quote“ bezeichnet, betrachten Wohlert von Edition F und Weilberg von Femtastics die Frauenquote im Journalismus mit gemischten Gefühlen. „Ich weiß nicht, ob man die Quote braucht. Und ich weiß auch nicht, ob man sie im Journalismus braucht: Auch hier sollen sich Frauen Positionen erkämpfen, die sie gerne haben möchten“, sagt Weilberg.

Die Macherinnen von Edition F: Nora Wohlert und Susann Hoffmann (v.l.). Foto: Kirsten Becken

Die Macherinnen von Edition F: Nora Wohlert und Susann Hoffmann (v.l.). Foto: Kirsten Becken

Doch ist es überhaupt entscheidend, ob hinter einer Geschichte eine Frau oder ein Mann steht? „Manchmal spielt das eine größere Rolle, als wir es uns gewünscht hätten“, sagt Wohlert. „Der Journalismus ist sehr personengetrieben. Außer im Nachrichtensegment stehen Journalisten stark dafür, was sie schreiben.“ Weilberg sieht dies ähnlich: „Wir haben gemerkt, dass es dem Leser enorm wichtig ist zu wissen, mit wem er es da eigentlich zu tun hat.“ Auch Tillmann weist der Person hinter einem Projekt große Bedeutung zu: „Das ist ganz wichtig für die Markenbildung.“ Gleichzeitig könne man so auch seine Glaubwürdigkeit steigern.

Unternehmerin statt Journalistin

Der Wunsch nach mehr Lesernähe verbindet alle drei Plattformen. Die Angebote bauen auf Interaktion mit ihrem Publikum, um es an sich zu binden. „Man muss genau zuhören, was die Nutzer wirklich wollen“, sagt Wohlert von Edition F, das monatlich 350 000 Besucher zählen soll. „Wir bekommen viel Feedback über unsere Social Media-Kanäle“, berichtet Weilberg ( Femtastics ). Zudem gelangt ein Großteil der Leser über Facebook, Twitter und Instagram überhaupt erst auf Femtastics und Edition F . Bei Deine Korrespondentin wird die virtuelle Kommunikation durch Veranstaltungen ergänzt. „Wir wollen mit unserem Publikum eine Community aufbauen“, sagt Tillmann.

Solche strategischen Überlegungen gehören neben journalistischer Arbeit Überlegungen gehören neben journalistischer Arbeit zum Alltag der Gründerinnen. „Ich bin mittlerweile mehr Unternehmerin als klassische Journalistin“, erzählt Wohlert, die gerade eine sechsstellige Summe für den Ausbau des Portals einwerben konnte. Zum Unternehmergeist gehört neben Strategie auch Experimentierfreude – laut Tillmann eine wichtige weibliche Eigenschaft, um die neuen Formen zur Übermittlung der Inhalte zu nutzen. Sie blickt optimistisch in die journalistische Zukunft: „Momentan ist eine Pionierzeit und viele Frauen haben Lust, diese mitzugestalten.“

*aktualisierte Fassung aus dem nestbeschmutzer, der Tagungszeitung zu #nr15

13. August 2015