IPI World Conference 2017
Von Pressefreiheit und „Pressefreiheit“

Anfeindungen, Drohungen und die Angst vor einer Verhaftung gehören für viele Journalisten weltweit zum Redaktionsalltag. Mehr noch: Auf der Jahreskonferenz des International Press Institutes (IPI) in Hamburg sprachen 300 Redakteure, Reporter und Verleger aus aller Welt über zunehmende Gewalt gegenüber Journalisten.

von Ariane Butzke

Reporter ohne Grenzen (RoG) und das IPI sind sich einig: Weltweit stehen Journalisten und unabhängige Medien zunehmend unter Druck. Besonders betroffen sind Redaktionen in Afrika und Asien, aber auch in Europa und den USA werden Journalisten zunehmend eingeschüchtert, schikaniert und zensiert. Als besonders große Gefahr für Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung identifizierten die Teilnehmer des IPI World Congress 2017 autokratische Staatsoberhäupter wie das türkische Staatsoberhaupt Reccep Erdogan und Populisten wie US-Präsident Donald Trump.

Der stellvertretende Chefredakteur des ZDF, Elmar Theveßen, kritisierte, der „sogenannte Anführer der freien Welt“ Trump würde durch die regelmäßige öffentliche Herabwürdigung von Journalisten und Medienhäusern zum Vorbild für repressive Regimes und deren Umgang mit der Presse. Der Leiter der ZDF-Hauptredaktion Aktuelles appellierte an US-amerikanische Medien, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten „ethisch korrekten, akkuraten und glaubwürdigen Journalismus“ entgegenzusetzen.

Bezug zur Realität verloren

IPI-Geschäftsführerin Barbara Trionfi kritisierte in ihrer Eröffnungsrede die sich für Journalisten zuspitzende Situation in der Türkei. Aktuell säßen dort 156 türkische und türkischstämmige Journalisten in Untersuchungshaft. Ihnen werde vor allem die Verbreitung von Terrorpropaganda vorgeworfen. Erdogan habe seit dem Putschversuch den Bezug zur Realität weitestgehend verloren, so Trionfi. Der prominente türkische Journalist Can Dündar rief die Kongressteilnehmer dazu auf, die 156 inhaftierten Journalisten in der Türkei nicht zu vergessen: „Im Gefängnis geben sie Dir das Gefühl, ganz allein zu sein, um Dich kaputt zu kriegen. Wir dürfen nicht aufhören, an unsere Kollegen im Gefängnis zu erinnern und unser Recht zur freien Meinungsäußerung einzufordern.“

Can Dündars Appell beim IPI-Kongress: "Wir dürfen nicht aufhören, an unsere Kollegen im Gefängnis zu erinnern und unser Recht zur freien Meinungsäußerung einzufordern.“

Can Dündars Appell beim IPI-Kongress: „Wir dürfen nicht aufhören, an unsere Kollegen im Gefängnis zu erinnern und unser Recht zur freien Meinungsäußerung einzufordern.“

Während Trump in erster Linie gegen die etablierten Medien poltert, schafft sein Amtskollege Erdogan Fakten durch Verhaftungen und Verbote. Er ist das aktuell prominenteste Beispiele für einen Staatschef, der die freie Meinungsäußerung im eigenen Land entgegen verfassungsrechtlicher Freiheiten unterbindet. Aber er ist damit nicht allein. Joan Chirwa ist Chefredakteurin des Zambian Observer. Sambia galt nach der Jahrtausendwende als Afrikas Vorzeigestaat in Sachen Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung. Der Präsidentenwechsel im Juni 2016 hat die Presselandschaft jedoch empfindlich beeinträchtigt, Sambia rutsche in der RoG-Rangliste der Pressefreiheit um 11 Plätze nach unten auf Platz 114. „Es ist eine Schande, dass unser neuer Präsident dem Land so schadet und uns um Jahre zurück wirft“, kritisiert Chirwa. Die Vorgängerzeitung des Observers wurde offiziell aus steuerlichen Gründen geschlossen. „Das war natürlich Unsinn“, so die Chefredakteurin. „Wir haben zu kritisch berichtet und uns nicht von der Regierung einschüchtern lassen.“ Heute finden die Redaktionskonferenzen des Zambian Observers abwechselnd bei den Redaktionsmitgliedern zuhause statt, den Druckort kennt nur Chirwa. „Wir haben laut unserer Verfassung das Recht, unsere Meinung frei zu äußern. Wir werden nicht aufhören, das auch zu tun.“

Situation deutlich verbessert

Der Afghane Najib Sharifi hat den Ärger, den seine Artikel bei der Regierung verursachen, am eigenen Leib gespürt. Der Vorsitzende des Afghan Journalists Safety Commitee (AJSC) ist bereits mehrfach von Taliban- oder Regierungsmitgliedern tätlich angegriffen worden. „Als die Taliban 2001 das Ruder übernahmen, gab es keinen gefährlicheren Job als den des Journalisten. Wir wurden zu legitimierten Zielen ausgerufen, die es verdient hatten, ermordet zu werden“, blickt Sharifi zurück. Heute habe sich die Situation aber deutlich verbessert. Seit 2004 ist die Presse- und Meinungsfreiheit in der Verfassung festgeschrieben. Das AJSC unterstützt afghanische Journalistinnen und Journalisten, die nach Veröffentlichungen zensiert oder bedroht werden. Für dieses Engagement wurde die Initiative vom IPI mit dem Free Media Pioneer Award ausgezeichnet.

Die Konferenz in Hamburg stand ganz im Zeichen des Kampfes gegen die mannigfaltigen Einschränkungen der Pressefreiheit weltweit. Organisatorin Trionfi ermutigte in ihrer Abschlussrede alle Konferenzteilnehmer, weiter für die freie Meinungsäußerung einzustehen und unabhängigen, hochwertigen und glaubwürdigen Journalismus zu betreiben. Sie definierte den Einsatz für die Freilassung weltweit inhaftierter Journalisten als wichtigstes Ziel bis zum nächsten IPI-Kongress 2018 in Nigeria.

22. Mai 2017