Innovation
Journalist oder Smartphone-User?

Nicht jede neue Technologie hat journalistisches Potenzial. Bei der Klärung der Frage „Hype oder hilfreich?“ hilft nur eines: ausprobieren!

von Ariane Butzke

Die Investitionen, die Medienhäuser tätigen müssten, um ihre Reporter zu mobilen Videojournalisten zu machen, sind gering: Es braucht kaum mehr als ein Smartphone und eine App für Foto- und Videoschnitt. Allein der Besitz eines videofähigen Handys qualifiziert aber nicht zum Videojournalisten.

Illustration: Isa Lange

Illustration: Isa Lange

Die Handykamera ersetzt laut Martin Heller, Reporter bei Welt/N24, immer häufiger den Notizblock oder die Filmausrüstung. „Das Smartphone ist heute auch zum Filmen ein selbstverständliches Arbeitswerkzeug geworden.“ Gutes Material hänge nicht nur vom Aufnahmegerät, sondern von der damit hergestellten Ton- und Bildqualität ab, so Heller, der als Head of Video für moderne Bewegtbild-Techniken zuständig ist.

Handwerk und Ethik

Deshalb qualifiziere der Besitz eines Smartphones noch nicht jeden zum (Video-)Journalisten, fügt Produzent Matthias Zuber hinzu. Der Spezialist für audiovisuelle Beiträge unterstreicht: „Zur Produktion eines guten Beitrags sind Wissen um die Aussagekraft von Bildern und Fähigkeiten im Umgang mit der Kamera nach wie vor unerlässlich.“ Dieses Handwerk ist besonders in Ausnahmesituationen gefragt. Für den Kommunikationswissenschaftler Horst Pöttker fordert die spontane audiovisuelle Berichterstattung über Naturkatastrophen, Unfälle oder Anschläge mittels Smartphone vom Reporter eine moralische Abwägung. „Der Journalist muss sich fragen, ob er als Zivilist oder als Journalist handelt, ob er Erste Hilfe leistet oder über die Ereignisse Bericht erstattet.“

Steigende Anforderungen

Videojournalist Zuber rät in seinen Seminaren außerdem dazu, in solchen Extremsituationen „adäquat und unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben zu filmen“. Keine noch so spektakuläre Szene rechtfertige die Missachtung der im Pressekodex festgelegten ethischen Grundsätze. „Die Wahrung der Persönlichkeitsrechte und der Schutz der Intimsphäre haben immer Vorrang“, so Zuber. Aus diesem Grund müsse jeder, der sich Videojournalist nennen möchte, zumindest grundlegende Kenntnisse des journalistischen Handwerks haben und sich auch mit ethischen Fragen auseinandersetzen.

Frank Lechtenberg, Crossmedia-Professor an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, fasste die Vorzüge des mobilen Journalismus auf der Mobile Journalism Conference im Mai zusammen: Besonders für jüngere Publika schaffe die Verwendung von Handyvideos einen Anreiz zum Nachrichtenkonsum. Die Formate seien mit nur geringem Aufwand auf Plattformen wie Facebook, Snapchat und Twitter einsetzbar. Außerdem sei der geringe finanzielle Aufwand für Redaktionen „verlockend“. Dennoch: „Die Anforderungen an die Ausbildung von mobilen Journalisten steigen. Wir wissen jetzt, was technisch geht“, so Lechtenberg. Künftig liege der Fokus aber auf der Qualität von mobilen Videobeiträgen.

15. Juni 2017