Innovation
Innovation ohne Gewinn?

Journalismus braucht neue Ideen, meinen viele. Aber welche Impulse liefern Start-ups überhaupt?

von Leonard Kehnscherper

Print statt Online, Karten statt Bilder, Greifswald statt Berlin: Das Katapult-Magazin ist zweifelsohne ein besonderes Journalismus-Start-up. Seit zwei Jahren produziert das junge Redaktionsteam regelmäßig Hefte zu sozialwissenschaftlichen Themen – ohne Bilder, dafür mit kreativen Grafiken. Nicht ohne Erfolg: Die nächste Ausgabe erscheint in einer Auflage von 25.000 Stück.

Journalistischer Kerngedanke

Typisch für das Katapult-Magazin aus Greifswald: gewitzte Grafiken wie diese, die europäische Staaten in Länder oder Regionen mit ähnlicher Wirtschaftsleistung umbenennt.  / Credit: Katapult

Typisch für das Katapult-Magazin aus Greifswald: gewitzte Grafiken wie diese, die europäische Staaten in Länder oder Regionen mit ähnlicher Wirtschaftsleistung umbenennt. / Credit: Katapult

Und die Blattmacher aus dem Uni-Städtchen an der Ostsee bleiben ehrgeizig: „Wir wollen das Politmagazin Cicero einholen. Die haben eine monatliche Auflage von 80.000 Stück“, sagt Benjamin Fredrich, Chefredakteur und Mitgründer. Vom Verkaufserlös, Abonnements und Spenden können Fredrich und drei weitere festangestellte Redaktionsmitglieder mittlerweile leben. Damit haben sie erreicht, wovon viele Gründer träumen. Dass sie dabei auf ein ganz klassisches Geschäftsmodell setzen, ist sehr untypisch für die Szene. Aber was ist überhaupt ein journalistisches Start-up?

„Diesen Begriff fasse ich sehr weit“, sagt Lina Timm, Leiterin der Start-up-Schmiede Media Lab Bayern. Für sie zählen journalistische Medienprojekte genauso zu journalistischen Start-ups wie Marketing-Konzepte und Softwarelösungen: „Der Kerngedanke muss Journalismus helfen.“

„Das tun auch die niederländische Kiosk-App Blendle und ihr deutsches Pendant pocketstory“, sagt Michel Clement von der Uni Hamburg. Die Dienste helfen den Verlagen aber nur bedingt. So fand der Medienökonom heraus, dass Verlage die eigenen Bezahlkunden an die neuen Anbieter verlieren. Mehr Geld geben die Nutzer am digitalen Kiosk auch nicht aus.

Journalismus nur gemeinnützig?

Neben szenetypischen Start-ups wie Blendle oder Chatbot-Apps wie Resi gibt es eine ganze Reihe prominenter Medienprojekte, die sich dank Stiftungen und/oder Crowdfunding finanzieren. Prominente Beispiele sind das Recherchebüro Correctiv, das Constructive-Journalism-Format Perspective Daily oder das Block-Magazin von Theresia Enzensberger.

Journalismus braucht dennoch technologiegetriebene und stark umsatzorientierte Start-ups, findet Timm. „Wer sagt, Journalismus kann nur gemeinnützig funktionieren, macht es sich zu einfach“, sagt die Media-Lab-Leiterin. Werbekunden könnten immer noch dafür sorgen, dass nicht Nutzer oder Stiftungen alleine ein Medium finanzieren müssen. Technik steht auch für den Medienökonomen Clement im Zentrum der Innovation: „Es gibt sehr viel guten Content, aber Nutzer müssen ihn auch finden können. Das gilt auch für Non-Profit-Journalismus.“

Ein Erfolgsrezept steht fest

Jeden Trend müssen Medienunternehmen deshalb aber nicht mitmachen. „Derzeit springen viele Häuser auf Virtual Reality (VR) auf. Dabei haben die Nutzer gar keine entsprechenden Geräte“, sagt Timm. Für tagesaktuellen Journalismus sei VR schlicht zu teuer und aufwändig.

Die meisten Start-ups gebe es derzeit im Social-Media-Monitoring – etwa in den Bereichen Fact-Checking und dem Kuratieren guter Inhalte. Denn eines steht fest: Qualitativ hochwertige Inhalte zahlen sich weiterhin aus. Das zeigt schon der kleine, aber handfeste Erfolg des Katapult-Magazins.

15. Juni 2017