Handwerk | Interview
Komfort versus Konfrontation

Ob im Interview, der Talkshow oder in der Recherche: Fragen sind das wichtigste Handwerkszeug des Journalisten. Aber welche sind wann die richtigen? Die Lösung liegt in der Perspektive des Gegenübers.

Von Johannes Prokopetz

Wer? Wie? Was? Wieso, weshalb und warum stellen wir eigentlich Fragen, wie wir sie stellen? Foto: Véronique Debord-Lazaro (CC-BY-SA)

Immer die richtige Frage zum richtigen Zeitpunkt – das wär’s. Nur ist dieselbe Frage an dem einen Punkt des Gesprächs hilfreich, an dem anderen ein Stopper. Herauszufinden ist, warum? Und: Wonach lassen sich Fragen so unterscheiden, dass sie in einem Gespräch oder Interview strategisch an den Stellen platziert werden können, an denen sie besonders wirksam sind?

Der in jeder Journalisten-Ausbildung als elementar gelehrte Gegensatz zwischen „offenen“ und „geschlossenen“ Fragen führt interessanterweise nicht weiter. Auch W-Fragen („offene“) können entgegen der reinen Lehre auf Festlegungen zielen („Wie viele Leute waren dort?“, „Welchen Antrag haben Sie unterstützt?“). Und „geschlossene“ Fragen haben oft die Funktion, nicht nur einsilbige Antworten zu provozieren, sondern nach einem ersten „ja“ oder „nein“ ohne weiteren Anstoß zum Erzählen oder Weiter-Erzählen zu animieren. Offenbar ist die Konzentration auf das Formale, auf „Fragepronomen oder nicht“ keine Systematik, die Orientierung für die Praxis bieten könnte [1].

Stress wohl dosiert einsetzen

Sinnvoller erscheint eine Systematik des journalistischen Fragens aus der Sicht dessen, der antwortet. Dieser Ansatz geht davon aus, dass der Journalist in seinen Fragen immer das – sanftere oder aggressivere – Interesse des Publikums an Neuem, Ungezeigtem, nicht oder nur selten Offenbartem vertritt. Demgegenüber geht die Intention des Antwortenden dahin, Kontrolle über die Dosierung dieses Enthüllens bzw. dieses Sich-Preisgebens zu behalten. Diese Hauptimpulse beider Seiten – Enthüllung und Interessenssicherung – finden sich in allen journalistischen Zusammenhängen, investigativen wie „bunten“ bzw. „harmlosen“. Sowohl das Spiegel-Interview wie das Promi-Gespräch im ARD-Musikantenstadl sind davon bestimmt, welchen Grad der Bedrängung der Fragende durch seine Fragen vorgibt, welchem Stress er den Befragten aussetzt, welchen Grad des Kontrollverlusts seine Fragen für den Befragten bedeuten könnten. Der Effekt beim Interviewpartner ist, dass er alarmiert wird: minimal bei harmlos erscheinenden Fragen, heftig bei konfrontativen. Wichtig ist dabei, dass die Wirkung der Frage nicht nur von ihrer konkreten Formulierung, sondern mehr noch von Gestik, Mimik, Tonfall, Lautstärke und auch von ihrem Kontext gesteuert wird. Ist dieser hochgradig bedrängend, wirkt auch die harmloseste Frage darin ebenfalls bedrängend. Wird dagegen eine von der wörtlichen Formulierung her konfrontativ anmutende Frage in einem Kontext der Harmlosigkeit gestellt, so wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit als harmlose Frage funktionieren und nur minimale Alarmierung auslösen.

Das mag auf den ersten Blick eine banale Erkenntnis sein. Und natürlich wenden gute Fragesteller schon immer diesen Mechanismus in ihrer journalistischen Arbeit an. Als grundlegender Ansatz jedoch ist die emotionale Perspektive des Antwortenden bisher kaum genutzt. Vor allem in der Aus- und Weiterbildung fällt das auf. Dort wird journalistisches Fragen vor allem an konkreten Beispielen, am Gegensatz offene vs. geschlossene Fragen und ansonsten „aus dem Gefühl heraus“ gelehrt, aber eben ohne klare Strategie. Der hier vertretene Ansatz „Was passiert im Befragten?“ schließt diese Lücke. Denn jede Frage provoziert nicht nur, dass der andere antwortet. Sie schafft immer auch eine neue emotionale Situation für den Befragten: Wurde er in der Frage gerade bestätigt? Bedrängt? Fühlt er sich angegriffen? Relevant, bewundert? Oder vielleicht verachtet, verunsichert? Und hat er das Gefühl, eine gute Antwort gegeben zu haben, oder mit der Antwort enttäuscht zu haben? Vor allem die Frage des Interviewers – im erweiterten Sinne als Frage plus Mimik, Körpersprache, Sprechgestus, etc. zu verstehen – gibt ihm Anhaltspunkte über die Beziehung der beiden. Je nachdem, wie der Befragte die Frage erlebt, definiert sie die Situation und steuert die emotionale Aufnahme der nächsten Frage. Aus diesen Überlegungen heraus bieten sich Kategorien an, die nach dem Alarmierungs- und Bedrängungspotential einer Frage gestaffelt sind: die im Folgenden genau zu betrachtenden Frage-Impulse des Komforts, der Animierung, der Alarmierung und der Konfrontation.

Komfortfragen

Dies sind Fragen bzw. kommunikative Impulse, die dazu angetan sind, den Befragten in seiner „Komfortzone“ zu belassen bzw. ihn dorthin zu bringen. Die Fragen signalisieren, dass mit ihnen die Interessen des Befragten keinesfalls verletzt werden. Es gibt für ihn daher keine Anzeichen für drohenden Kontrollverlust. Zu diesen Fragen gehören u.a. Aufwärmfragen („Sind Sie auch in diesen Stau am Hauptbahnhof geraten?“) oder Bestätigungs- und Kuschelfragen („Was war in Ihrem bisherigen Berufsleben der schönste Tag?“), Erlebnisfragen („Wenn wie jetzt der Frühling kommt, blüh’ ich selber immer auf, wie geht’s Ihnen da?“), Erklärfragen, Sachverhaltsfragen („Wie oft müssen Sie auf dem Weg zur Arbeit umsteigen?“) oder Allerweltsfragen („Jedes Jahr vergeht die Zeit schneller, nicht wahr?“). Dass auch hier nicht die Form, sondern der Kontext die Frage definiert, lässt sich beispielsweise daran sehen, dass eine eigentlich konfrontative Frage wie „Heute haben Sie alles falsch gemacht, was man in Ihrem Beruf nur falsch machen kann, oder?“ an einen Fußballspieler, der gerade einen Hattrick geschossen hat, unschwer als situativ ironisiert und darum als Komfortfrage zu erleben ist. Häufig anzutreffen sind solche komfortablen Frage-Impulse natürlich in allen journalistischen Formen, die auf Entspannung und Konsensbestätigung zielen: weite Teile von Unterhaltungs-, Heimat- und Tendenzjournalismus etc. Darüber hinaus aber können Komfort-Kontexte auch den ersten Teil, die Aufwärmphase, eines Gespräches bestimmen, das später dann in einen Animier-, Alarmier- oder sogar Konfrontations-Modus übergeht.

Animationsfragen

Gemeint sind Fragen, die versuchen, den Befragten auf eine immer noch angenehme Weise zu fordern. Die Fragen signalisieren nicht mehr maximale Harmlosigkeit, sondern formulieren eine kommunikative Anforderung. Sie stellen aber auch keinen Grund für den Befragten dar, seine Interessen bedroht zu sehen. Geringer Stress-Pegel, geringer bzw. akzeptabler Kontrollverlust. Zu diesen Fragen gehören oft z.B. direkte Aufforderungen („Sie waren im Zug, als der Unfall passierte. Erzählen Sie doch einfach mal, was sich aus Ihrer Perspektive abgespielt hat.“ bzw. als Frage: „Was hat sich abgespielt?“), Verständnisfragen oder Konkretisierungsfragen („Das heißt: Sie verbringen jeden Nachmittag mehrere Stunden auf dem Kinderspielplatz?“), Motivationsfragen („Wenn Sie Menschen beim Sterben begleiten, worum geht’s Ihnen da?“), Meinungsfragen („Was halten Sie von gleichgeschlechtlichen Eheschließungen?“) oder Introspektionsfragen („Wie geht es Ihnen, wenn Sie an die Scheidung Ihrer Eltern zurückdenken?“). Eine besonders wichtige Spielart der Animierfragen sind „Fragen aus dem Gegenteil“, weil sie – meist kurz vor der Alarmierung angesiedelt – besonders dynamische Antworten initiieren: Der Fragende stellt eine scheinbare Konsensfrage, bei welcher der vorgebliche Konsens aber für den Befragten keine akzeptable Position darstellt („Sie haben so treue Fans, da macht es sicher nichts, wenn in dieser Arie das hohe ‚C’ mal nicht kommt?“).

Die genannten Beispiele können natürlich kontextabhängig auch alarmierende oder konfrontative Fragen sein. Hier werden sie aufgelistet, weil sie in unspezifischen Kontexten besonders oft animierende Funktion haben. Zusammen bestimmen diese Animierfragen einen großen Teil des journalistischen Alltags, weite Bereiche von Fachpresse, Lokalpresse, Service-Medien etc. Sie dominieren dort, wo schlicht weitergehende Informationen gebraucht, Schilderungen und Geschichten abgeholt werden sollen, aber aus Sicht des Befragten keinerlei investigative oder schuldbezogene Dimensionen in den Blick geraten.

Alarmfragen

Hier geht es um Fragen, welche unerwartet und für ihn überraschend den Befragten unter Stress setzen oder auf eine ihn beunruhigende Weise fordern, die ihm unangenehm oder unbequem sind, möglicherweise sogar sein Misstrauen aktivieren. Dies geschieht entweder offen oder aber zumindest diesen Stress bzw. dieses Misstrauen auf Seiten des Fragestellers billigend in Kauf nehmend. Die Fragen signalisieren – beabsichtigt oder nicht – dem Befragten einen gewissen Kontrollverlust. Seine Interessen könnten bedroht sein, auch wenn das noch nicht eindeutig und vor allem nicht endgültig ist. Hier kann es sich z.B. um Warum-Fragen handeln (die leicht etwas von einem Verhör haben [2] und den Ton in einem Interview plötzlich verschärfen, den Befragten leicht in eine Abwehrhaltung drängen können), um unterstellende Fragen („Sie beschreiben auf ihrer Website nur die Anreise mit dem PKW. Was haben Sie eigentlich gegen die Bahn?“), hypothetische Fragen („Angenommen, die Verluste sind doch größer. Drohen dann Entlassungen?“), Definitions- und Festlegungsfragen („Habe ich Sie da richtig verstanden: Sie sagen, Sie sind noch nie in Lichtenstein gewesen?“), Interaktionsfragen („Ich habe den Eindruck, dass meine letzten Fragen Sie gereizt gemacht haben. Was ärgert Sie?“), Fragen durch die Hintertür (um eine Frage indirekt anzusprechen, die der Fragende nicht zu stellen versprochen hat, z.B. zur Scheidung des Befragten: „Wie ist das, wenn man [z. B.: ‚ein große Liebe verliert’]?“) oder Indizienfragen (als eine Reihe von aufeinander abgestimmten Fragen, mit denen ein dem Befragten zunächst unbekanntes Ziel verfolgt wird: „Lieben Sie Kinder? … Wissen Sie, wie viele davon an Altersdiabetes erkranken werden? … Bekommen Sie da kein schlechtes Gewissen, wenn Sie ein Fast-Food-Restaurant betreiben?“).

Die Situationen, in denen der Befragte sich Alarmfragen gegenüber sieht, sind zunächst entspannt und werden erst durch eine punktuelle Schärfe zu irritierten Situationen. Allerdings ist diese Irritation prinzipiell noch reversibel, da die Fragenden sich entschieden haben, zwar Wahrnehmungen, die sie irritiert haben, anzusprechen, aber nicht strukturell für den Rest des Gespräches in die Konfrontation zu gehen. Alarmfragen stellen meist also vereinzelte heikle Augenblicke in ansonsten unheiklen journalistischen Settings dar.

Konfrontationsfragen

Die höchste Stufe an Alarmierung bringen Fragen mit sich, die für den Befragten den Beginn oder den Fortgang einer konfrontativen Auseinandersetzung signalisieren. Die Fragen und die Aussicht auf einen sich fortsetzenden konfrontativen Modus setzen den Befragten maximal unter Spannung. Sie greifen ihn an, seine Interessen sind bedroht. Hier sind z.B. Provokationsfragen zu nennen („Kritische Stimmen aus Ihrem Unternehmen sagen, es gab zu wenig Innovationen seit Sie den Konzern führen. Was sagen Sie dazu?“) sowie Suggestivfragen („Ist es nicht so, dass bei Ihren Heilpflanzen Über- oder Unterdosierungen die Regel sind, da Sie nie wissen, wie viel Wirkstoff nun in der gerade gepflückten Pflanze steckt?“), Wann-statt-Ob-Fragen (eine Variante der Suggestivfragen dahingehend, dass zu einem vermuteten Ereignis aus der Welt des Befragten nur nach dem Zeitpunkt gefragt wird, so dass das bisher gar nicht feststehende „Ob“ dieses Ereignisses vorausgesetzt wird und bei Nicht-Widerspruch durch den Befragten als bestätigt gelten kann), konfrontierende Feststellungen („Trotzdem sind in den letzten zwei Jahren zehn Kritiker Ihrer Regierung unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen.“) oder direkt konfrontierende Fragen („Hatten Sie Sex mit Frau Monika Lewinsky?“). Interessanterweise wird das Konfrontative an diesen Fragen oft erst durch die Nachfrage funktional eingelöst. Denn folgt nach einer ausweichenden Antwort auf eine zunächst konfrontativ erscheinende Frage keine Nachfrage (was leider oft geschieht), dann handelt es sich funktional trotz des bedrängend wirkenden Wortlautes der ursprünglichen Frage nicht um ein Konfrontieren, sondern nur um eine Simulation dessen.

Konfrontative Settings sind meist von Vornherein als solche geplant: das Spiegel-Interview, die Studio-Friedmann-Sendung , etc. Oft ist aber auch einfach der letzte Teil eines längeren ansonsten eher von Animierfragen geprägten Interviews als konfrontativ geplant. Dann bedroht ein möglicher Abbruch durch den Interviewten nicht die gesamte journalistische Vorarbeit, sondern nur die letzten Fragen.

Die emotionale Dramaturgie

Das Moment der Bedrängung mittels Frage ist ambivalent. Ohne mit den eigenen Fragen seinen Gegenüber einer gewissen Bedrängung auszusetzen, ist relevanter Journalismus undenkbar. Auf der anderen Seite bringt Bedrängung immer auch die Gefahr mit sich, die Beziehung zum Befragten zu schädigen. Sei es, dass er sich innerlich verschließt, weil für ihn mit einer „Warum“-Frage schon die Ebene der Animationsfragen verlassen wurde. Sei es, dass er das Gespräch abbricht, weil er z.B. bei einem Journalisten eines von ihm als Kuschel-Medium eingeschätzten Senders nicht mit Alarmfragen gerechnet hatte. Oder auch – nicht immer führt Kuscheln zum Erfolg – dass ein Befragter das Interview abbricht, weil ihm die Fragen zu harmlos sind und er sich nicht genügend gefordert und ernst genommen fühlt.

Was heißt das nun für die Planung eines Interviews oder Gespräches? Zunächst sind dabei einige andere Ebenen wichtig, wie die Unterscheidung nach dem Publikations-Modus: Ist z.B. ein Recherche-Interview geplant oder ein Hintergrundgespräch, ein O-Ton- bzw. Zitat-Einholen oder ein zur Veröffentlichung bestimmtes Gespräch? Dann spielt natürlich das Medium als primärer Kontext eine entscheidende Rolle für die Erwartungen und das Reagieren des Befragten („Apotheken Umschau“ oder „Panorama“?). Drittens steuern kausale Bezüge die Fragen des Journalisten: Welche z.B. inhaltlichen Punkte müssen zunächst geklärt sein, um darauf entsprechend weiterführende Fragen zu stellen? Nach diesen Vorüberlegungen geht es an die entscheidende, an die emotionale Dramaturgie, die Steuerung des Gesprächs zwischen Komfort und Alarmierung. Welchen Grad an Vertrauen möchte ich anfangs herstellen und welche Fragen brauche ich dazu? Wie wichtig ist es, dass mich der andere als ernstzunehmenden Gegenüber sieht, und welche Fragen muss ich ihm stellen, um dies zu erreichen? Wie gehe ich mit Irritationen um, die seine Antworten für mich darstellen: Spreche ich die sofort an (weil ich sie für eine Fernseh-Reportage z.B. sinnvoll nur in der Situation stellen kann, in der sie auftauchen) oder erst wenn ich die wichtigsten anderen Fragen gestellt habe und einen Abbruch riskieren kann? Ist der andere vielleicht ein Medienprofi und tue ich gut daran, seine Erwartungen zu konterkarieren, indem ich z.B. zwischen Konfrontations- und Komfortfragen hin und her springe?

Gescheitertes und geglücktes Fragen

Viele Interviews und Gespräche missglücken auf Grund fehlender oder falscher Planung oder schöpfen ihr Potenzial nicht aus. Interviews, die nur auf inhaltliche Logik hin geplant werden, und dann zwar alle Sachfragen klären, aber nichts Emotionales einfangen. Interviews, deren Planung nicht primär die Emotionalität des Befragten im Blick haben, sondern von einer „hidden agenda“ des Fragenden bestimmt werden. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Interviewer sich im Interview auf eine bestimmte Weise selbst erleben will (bestens informiert, klug, brilliant, politisch auf der richtigen Seite) und damit den Befragten im Grunde ignoriert, in jedem Fall irritiert und in die Distanz treibt. Oder, als letztes Beispiel, Interviews, deren Dramaturgie vor allem mit Blick auf tatsächliche oder vermeintliche Format-Konventionen geplant werden. Das kann dann z. B. bei einem vermeintlichen „Wohlfühl-Medium“ die Folge haben, dass Irritationen im Gespräch, die dem Rezipienten durchaus auffallen und ihn entsprechend interessieren, dennoch vom Fragesteller leider nicht weiter angesprochen werden.

Wichtig ist für die praktische Arbeit des Journalisten, dass er zunächst für sich klärt: Was ist das Ziel meines Fragens? Und dass er – möglichst vor dem Termin und z.B anhand der hier vorgeschlagenen Fragekategorien – überprüft, ob der gewählte Zugang nicht zu harmlos ist. Am Ende wird fast immer der Mut, den anderen im professionellen Zugang stärker zu bedrängen als wir dies im Privaten täten, belohnt. Die riskantere Frage bedingt die intensivere Antwort und liefert damit, was sich Journalist und Publikum letztlich erhoffen: Interessantes, Überraschendes und Authentisches.

ProkopetzJohannes Prokopetz, geboren 1962 in Berlin, arbeitet beim Bayerischen Fernsehen als Redakteur, Programmentwickler und Mediator. Früher zuständig für die Kulturmagazine des BR, derzeit verantwortlich für die Filmbeiträge des Nachmittag-Formates „Wir in Bayern“.

 

 

[1] Ähnlich verhält es sich mit weiteren Versuchen, den Kosmos des Fragens zu systematisieren, z.B. von Mario Müller Dofel (Müller-Dofel, Mario: Interviews führen. Berlin 2009, S. 162ff.), Christian Thiele (Thiele, Christian: Interviews führen. Konstanz 2009. S. 29ff.) oder Michael Haller (Haller, Michael: Das Interview. Ein Handbuch für Journalisten. Konstanz 1997.S. 135ff u. 246ff.). Von diesen liefert nur Haller mit der Unterscheidung nach Gegenstand, Ziel und Zweck von Fragen einen wirklichen Systematisierungsansatz. Aber auch Hallers Ansatz leidet unter Abgrenzungsproblemen der Kategorien sowie unter dem Versuch, formale mit intentionalen Kategorien zu verbinden.

[2] Interessanterweise ist diese Wahrnehmung in anderen Frage-Kontexten, z.B. dem der Mediation. Dort gilt die Frage „warum?“ als hoch riskant im Sinne einer Verschlechterung der Beziehung zwischen Mediator und Klient, weil sie von letzterem leicht als nicht nur neugierig, sondern als gegnerisch und inquisitorisch empfunden wird. Geraten wird dort zu „Was ist der Grund …“-Fragen.

Literatur

  • Achenbach, Anja: „Interview-Kulturen“ – Professionelle Interviews als journalistische Qualitätstreiber. In: netzwerk recherche e. V. (Hrsg.): nr-Werkstatt Nr. 13. Wiesbaden 2009.
  • Brunner, Anne: Die Kunst des Fragens. München 2009.
  • Haller, Michael: Das Interview. Ein Handbuch für Journalisten. Konstanz 2012.
  • Leif, Thomas (Hrsg.): Leidenschaft: Recherche. Opladen/Wiesbaden 1998.
  • Luik, Arno: „Es ist eben anstrengender zu Widersprechen“. In: netzwerk recherche e. V. (Hrsg.): nr-Werkstatt Nr. 13. Wiesbaden 5/2009.
  • Maischberger, Sandra und Buchholz, Axel: Interviewen – und was Sandra Maischberger dazu empfiehlt. In: Schult, Gerhard und Buchholz, Axel (Hrsg.): Fernseh-Journalismus. Berlin 2011.
  • Müller-Dofel, Mario: Interviews führen. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. Berlin 2009.
  • Schneider, Wolf und Raue, Paul-Josef: Das neue Handbuch des Journalismus. Bonn 2006.
  • Thiele, Christian: Interviews führen. Konstanz 2009.
  • Troller, Georg Stefan: Die Kunst des Interviews. In: Lettre International 82. 2008, S. 92-95.
21. Mai 2015