#nr15 Spezial | Rechtsextremismus
Kein Schutz vor Rechten?

Journalisten fühlen sich von den Sicherheitsbehörden alleingelassen

von Julia Dziuba

Wie akut das Thema Rechtsextremismus in Dortmund ist, zeigt ein Blick auf die Website der Ruhr Nachrichten. Unter dem Titel „Nazi-Problem in Dortmund“ werden sämtliche Artikel der letzten vier Jahre zum Thema aufgeführt. Ein Viertel von ihnen stammt aus dem letzten halben Jahr. Kundgebungen, Hetze gegen Flüchtlinge, aber auch Angriffe gegen Sicherheitsleute, Polizisten und Journalisten sind die traurigen Schlagzeilen dieser Chronologie.

Neonazis am 1. Mai 2015 im Dortmunder Hauptbahnhof / Foto: Ulrike Märkel

Neonazis am 1. Mai 2015 im Dortmunder Hauptbahnhof / Foto: Ulrike Märkel

Insbesondere die Einschüchterungsversuche und Drohungen gegen Journalisten haben auch bundesweit Aufsehen erregt. So waren zur Jahreswende fingierte Todesanzeigen mit den Namen von Dortmunder Journalisten im Netz aufgetaucht – nebst Werbung für den Nazi-Internetshop von Michael Brück. Brück ist Vize-Landeschef der Partei „Die Rechte“, die mit einem Sitz im Dortmunder Stadtrat vertreten ist. Ob er auch für die Todesanzeigen verantwortlich ist, konnte bislang nicht geklärt werden.

Soko „Rechts“ gegründet

Auch als Reaktion hierauf hat die Dortmunder Polizei im Februar die Sonderkommission „Rechts“ gegründet. Wie notwendig dieser Schritt war, zeigte sich kurze Zeit später, als der freie Journalist Marcus Arndt mutmaßlich von Neonazis mit Steinen beworfen und mit dem Tod bedroht wurde. Sein Name war zuvor in einer der Todesanzeigen aufgetaucht.

Mit den Ermittlungen in dem Fall sei die Polizei bislang nicht weitergekommen, sagt Arndt. Er stehe bis heute unter Polizeischutz. Gleichzeitig würde er bei Veranstaltungen der rechten Szene nach wie vor von Neonazis bedroht – Einhalt würden die Beamten des Staatsschutzes dem nicht gebieten: „Man muss zu denen hingehen und sagen: ‚Ich werde jetzt hier bedroht, bitte schreiten Sie ein! ‘, sonst machen die nichts“, sagt der Journalist. Oft gäben die Beamten die Schuld an Eskalationen auch den Medienvertretern selbst: „Dann wird meistens noch gesagt: Sie sind ein Störfaktor, Sie provozieren die durch ihre Anwesenheit, durch Ihre Berichterstattung‘.“

Die wachsende Bedrohung von rechts sieht Arndt als Konsequenz aus der Passivität des Staatsschutzes: „Da muss man sich nicht wundern, wenn die irgendwann Oberwasser bekommen und auch mal tätlich attackieren.“

Ähnliche Erfahrungen hat die freie Journalistin Ulrike Märkel gemacht. Auch sie berichtet regelmäßig über die rechtsextreme Szene und wird immer wieder von Neonazis beleidigt und bedroht. Als sie vor einer Demonstration wartende Rechte am Dortmunder Hauptbahnhof fotografierte, kam laut Märkel einer von ihnen „mit wüsten Beschimpfungen und erhobenen Händen“ auf sie zu. Drei Polizisten seien nötig gewesen, um den Mann zu stoppen. Doch Märkels Anzeige habe anschließend niemand aufnehmen wollen. Erst als sie den Gruppenleiter der Einheit verlangte, habe sie die Anzeige zu Papier bringen können. Märkel teilt die Einschätzung, dass die Polizei die Schuld für solche Attacken bei den Journalisten suche. Außerdem fühle sich die Polizei durch die anwesenden Journalisten in ihrer Arbeit behindert, sagt Märkel – eine Einstellung, die sie nicht nachvollziehen kann: „Wir stören nicht, wir berichten.“

Nicht genug geschützt

Der Sprecher des Polizeipräsidiums Dortmund, Oliver Peiler, ist über diese Aussagen erstaunt und weist sie als „unbegründet“ zurück. Die Dortmunder Polizei sei „mittlerweile über alle Maßen, auch bei den Dortmunder Journalisten, für ihre niedrige Eingreifschwelle gegen Rechtsextremisten bekannt“, so der Pressesprecher. Bei allen Versammlungen stehe man in engem Kontakt zu den Medienvertretern. Die Einsatzkräfte seien „mehrfach intensiv sensibilisiert“ worden, Journalisten insbesondere während Demonstrationen dabei zu unterstützen, ihrer Arbeit nachgehen zu können. Als wichtige Schnittstelle fungiert hierbei laut Peiler auch die neu gegründete Soko.

Die Journalisten Arndt und Märkel fühlen sich von der Dortmunder Polizei insgesamt nicht genug geschützt – die Arbeit der Soko „Rechts“ beurteilen sie entsprechend. Zwar lobt Arndt deren schnelles und konsequentes Eingreifen nach den Steinwürfen auf ihn, „aber viel weiter bringt es einen auch nicht“, urteilt er. Märkel begrüßt grundsätzlich jeden Schritt, um die Aktivitäten der Rechten einzudämmen. „Wenn dazu eine Soko gehört, ist das natürlich auch gut“ – aber nur, wenn dort „mit dem notwendigen Nachdruck“ gearbeitet werde.

Verständigt haben sollten sich Polizei und Journalisten spätestens bis zum 4. Juni 2016. Dann wird der achte „Tag der deutschen Zukunft“ in Dortmund stattfinden – ein Neonazi-Aufmarsch, an dem sämtliche rechte Parteien und Kameradschaften aus dem Bundesgebiet teilnehmen.

7. Juli 2015