#nr19 | International | Recherche
Grenzen sind zum Überschreiten da

Internationale Enthüllungen wie die „Panama Papers“ zeigen auf eindrucksvolle Art, was mit ­Cross-Border-Journalismus erreicht werden kann. Wo liegen die Stärken der grenzübergreifenden ­Recherche? Und inwieweit wird sie das Berufsbild des Journalisten nachhaltig verändern?

von David Baldauf

„Wir sind Journalisten aus verschiedenen Ländern, die an einem gemeinsamen Thema oder einem gemeinsamen Fall arbeiten, ihre Recherchen miteinander teilen und gegenseitig Factchecking betreiben – und anschließend veröffentlicht jeder für die eigene Zielgruppe.“ So beschreibt Brigitte Alfter grenzüberschreitenden Journalismus. Die deutsch-dänische Journalistin setzt sich seit ihrer früheren Arbeit als EU-Korrespondentin in Brüssel mit Cross-Border-Recherchen auseinander und sieht in der internationalen Teamarbeit eine besondere Stärke.

„Die Denke dahinter ist, dass wir das eigene Land, die eigene Sprache, die eigenen Quellen und auch die eigenen Zielgruppen am besten kennen, aber eben nicht die der anderen Länder. Wenn ich EU-Journalismus betreibe, dann muss ich mich mit den Kollegen aus diesen Ländern vernetzen, um ordentliche, gründliche Informationen zu bekommen“, sagt Alfter, die auch ein Handbuch zu Cross-Border-Journalismus geschrieben hat. Ein weiterer positiver Nebeneffekt sei, dass durch grenzübergreifendes Factchecking und den Austausch mit ausländischen Kollegen eigene blinde Flecken wie ein „Cultural Bias“ – eine kulturelle Voreingenommenheit – überwunden werden könnten. Für Kollegen aus Ländern ohne ernstzunehmende Pressefreiheit kann die Kooperation außerdem einer Lebensversicherung gleichkommen. So fühlten sich Kollegen aus solchen Ländern schlichtweg sicherer, wenn sie regelmäßig Kontakt zu ausländischen Redaktionen hielten, erklärt Alfter.

Die Stärken des Miteinanders

Weitere gewichtige Gründe für grenzüberschreitende Zusammenarbeit sind nach Ansicht Alfters die verstärkte Recherchekraft im Team, die verschiedenen individuellen Stärken der beteiligten Journalisten sowie die höhere Durchschlagskraft der publizierten Geschichten. „Wenn man eine Story in mehreren Ländern gleichzeitig oder zumindest zeitnah veröffentlicht, dann ist diese überall auf der Tagesordnung.“

Das bloße Übersetzen von Artikeln in andere Sprachen würde hingegen mitnichten eine breite Leserschaft ansprechen. „Dies kann nur erreicht werden, wenn die Veröffentlichung in den jeweiligen Ländern an die dortige Journalismus-Kultur, sprich die landesspezifischen Gepflogenheiten der Berichterstattung – etwa den Schreibstil – angepasst wird.“

Eine neue Rolle entsteht

Die vielen Akteure mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten, Arbeitsweisen, aber auch Befindlichkeiten zusammenzubringen und zusammenzuhalten ist keine leichte Aufgabe. Daher bedürfen transnational angelegte Recherche-Projekte einer professionellen Koordination und Planung, um Chaos zu vermeiden. Aus dieser Notwendigkeit entsteht laut Alfter allmählich eine neue spezialisierte Berufsrolle: die des „Cross-Border-Team-Koordinators“. Es sei relativ leicht, sich in das Thema Projektmanagement einzuarbeiten, meint Alfter. Würde man dies etwa in die Journalistenausbildung einbauen oder Fortbildungen dazu anbieten, sei man „als Journalist relativ schnell relativ gut vorbereitet“. Deshalb könnten auch junge Journalisten in diese Rolle schlüpfen. „Man darf davor keine Angst haben, sich in eine solche Rolle zu begeben“, sagt Alfter. Es sei nicht so, dass man 20 Jahre Erfahrung brauche, um ein solches Team zu koordinieren. Man müsse „einfach loslegen“!

15. August 2019