Hackgate
Der britische Presserat vor dem Bankrott

Nach den Lauschangriffen der »News of the World« steht der britische Journalismus vor einem Wendepunkt: Ist die Selbstkontrolle noch zu retten oder folgt jetzt mehr staatliche Regulierung?

von Mike Jempson

Für den britischen Journalismus begann in diesem Sommer eine Phase der Selbstreflexion, die länger als gewöhnlich andauern dürfte und Großbritanniens viel gepriesenes Selbstregulierungssystem der Presse radikal verändern könnte.

Alle paar Jahre müssen die Journalisten in Großbritannien eine kurze Phase durchstehen, in der die jeweils aktuellen Exzesse – meist der Boulevardzeitungen – bei Kommentatoren und Politikern For­derungen nach gesetzgeberischen Maßnahmen provozieren. Nach einer Debatte im Parlament, einem Urteil der von den Medienunternehmen finanzierten Press Complaints Commission (PCC) oder einer Anpassung des Pressekodex (Editors’ Code of Practice) legt sich die Aufregung dann schnell, und man geht wieder zur Tagesordnung über. Oft ist es ein klassisches Stück investigativer Recherche alter Schule, das dann, zumindest vorläufig, das Vertrauen in die »watchdogs« der Gesellschaft wiederherstellt.

Aber diesmal gibt es kein Zurück. Rupert Murdochs umsatzträchtiges Sonntagsblatt News of the World wurde eingestellt, nachdem klar geworden war, dass das illegale Abhören von Telefongesprächen zur normalen Recherchetechnik gehörte. Journalisten, Redakteure und Führungskräfte haben ihre Jobs verloren; einige wurden verhaftet und warten auf eine Anklage. Zwei der mächtigsten Polizeichefs des Landes mussten wegen der Affäre zurücktreten, der Vorsitzende der PCC ebenfalls.

Das alles waren Folgen der öffentlichen Empörung als herauskam, dass die News of the World 2002 das Mobiltelefon der vermissten 13-jährigen Milly Dowler angezapft und Nachrichten auf der Mailbox gelöscht hatte. Das hatte bei den Eltern die trügerische Hoffnung geweckt, das Mädchen sei noch am Leben. Sie wurde später ermordet aufgefunden. Milly Dowlers Telefon war jedoch nur eins von 3.000 privaten Telefonen, die von der Murdoch-Zeitung illegal abgehört wurden.2006 hatte Großbritanniens Datenschutzbeauftragter (Information Commissioner) bekannt gegeben, dass mehr als 32 Publikationen sich derartiger gesetzeswidriger Übergriffe schuldig gemacht hatten. 2007 wurden der Hofberichterstatter der News of the World und ein Komplize festgenommen, weil sie die Mobiltelefonnachrichten von Mitgliedern der Königsfamilie abgehört hatten. In beiden Fällen erwies sich die PCC als ziemlich zahnlos in der Verteidigung des öffentlichen Interesses. Sie akzeptierten demütigst die Erklärungen der Chefredakteure, die behaupteten, es sei keineswegs gängige Praxis, solche illegalen Aktivitäten zu dulden. 

Enthüllung der politischen Feigheit

Das volle Ausmaß des Skandals und der Feigheit seitens der Politiker und der PCC wurde schließlich vom Guardian enthüllt, deren Reporter zuvor für ihre Hartnäckigkeit an den Pranger gestellt worden waren. Die Kaltschnäuzigkeit gegenüber Milly Dowlers Familie mochte die Öffentlichkeit aber nicht tolerieren; eine Internetkampagne, die Aufklärung verlangte, bekam viel Unterstützung. Einen solchen Aufschrei hatte es noch nie gegeben, wenn es um die Verletzung der Privatsphäre von reichen Prominenten gegangen war ……

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