Investigativer journalismus
Auf Expansionskurs

Aus einem losen Haufen Muckraker hat sich eine weltumspannende Organisation für investigativen Journalismus entwickelt. Doch im Inneren des GIJN gibt es Streit über den eingeschlagenen Weg.

von Lutz Mükke

Für Global Player ist Washington ein perfekter Platz. Macht, Geld, Politik und Lobbyismus jeder Art konzentrieren sich hier. Einflussreiche Medien aus aller Welt entsenden Korrespondenten in die US-Hauptstadt, etwa 1.500 sind es. Wichtige Nachrichten verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Auch viele Nichtregierungsorganisationen (NGO) und große Stiftungen wie Freedom House, Open Society Foundation oder National Endowment for Democracy haben hier ihren Sitz. Washington gilt als »Philanthropy Front«. Und ganz aktuell hat auch das Global Investigative Journalism Network (GIJN) in Washington eine Ein-Mann-Zentrale eröffnet. Einige europäische Investigative sind über diesen Standort nicht glücklich. Überhaupt macht es ihnen Bauchschmerzen, wie sich das GIJN entwickelt.

Ein Blick zurück: Ein paar engagierte Enthusiasten bauten Anfang der 2000er Jahre ein informelles, international gut verzweigtes Netzwerk investigativer Journalisten auf. Ein führender Kopf der Graswurzel-Initiative war der Däne Nils Mulvad, der 2001 maßgeblich die erste Global Investigative Conference in Kopenhagen organisierte. Auf der Folgekonferenz 2003, ebenfalls in Kopenhagen, wurde dann das GIJN gegründet. Brant Houston, damals Vorsitzender der weltgrößten investigativen Journalisten-Vereinigung Investigative Reporters and Editors (IRE), war auch dabei. Die Idee eines dezentralen, basisdemokratisch und ehrenamtlich arbeitenden Journalisten-Netzwerks war erfolgreich. Weitere Konferenzen in Amsterdam (2005), Toronto (2007), Lillehammer (2008), Genf (2010), Kiew (2011) und Rio de Janeiro (2013; Message 1/2014) zogen Kollegen aus aller Welt an. Organisiert wurden die Treffen bis 2011 federführend von den lokalen Investigativen am jeweiligen Veranstaltungsort, unterstützt vom internationalen Netzwerk. Um Gelder zu akquirieren und die organisatorische Arbeit aufzuteilen, ließ man seine Kontakte spielen. Der »Spirit« stimmte. Die Konferenzen dienten vor allem dazu, Kollegen kennenzulernen, die Gleiches oder Ähnliches wollten: recherchieren sowie unabhängig und kritisch, gegebenenfalls über Grenzen hinweg Missstände aufdecken. Diese Ideen- und Kontaktbörsen gingen mit einem gehörigen Schuss »Socializing« einher. Dem investigativen Journalismus verliehen diese Konferenzen und das Netzwerk Flügel. Überall auf der Welt entstanden im zurückliegenden Jahrzehnt Zentren für investigativen Journalismus. Allein in Europa etablierten sich etwa zwanzig Investigativ-Zentren – so in Island, Armenien, Italien, Russland, Kroatien und Finnland.

Kritik an der »Amerikanisierung«

2011 in Kiew begann dann, was die einen »Professionalisierung« und »notwendige Entwicklung« eines wachsenden Dachverbandes nennen und die anderen »Bürokratisierung«, »Verlust an Spirit und Autonomie« und »Amerikanisierung«. Die Vorbereitungen der Konferenzen und das Fundraising sollten von nun an von einem provisorischen Sekretariat koordiniert und organisiert werden, das im Februar 2012 seine Arbeit aufnahm. Treibender Akteur und ehrenamtlicher Leiter des Sekretariats war David Kaplan, ehemaliger redaktioneller Leiter im Center for Public Integrity. Ein »Volunteer Committee« mit Vertretern von mehr als zwei Dutzend Journalistenorganisationen trat ins Leben. Der Etablierungsprozess wurde weiter vorangebracht: Die Registrierung des GIJN in den USA wurde beschlossen, Kaplan als bezahlter Manager eingesetzt und Mitte Juni 2014 konnten die 98 Mitgliedsorganisationen aus 44 Ländern 14 Journalisten in ein »Board of Directors« wählen. Etwa zwei Drittel taten dies.

Kritik an diesen Entwicklungen kommt von einer Minderheit aus Europa […]

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