Recherche
Lauschangriff auf die UNO

In wichtigen Konferenz- und Beratungssälen der Vereinten Nationenin Genf werden mehrere Abhörgeräte entdeckt. Der Skandal soll vertuscht werden. Warum nur? Ein Rechercheprotokoll.

von Michel Bührer

Spionage in den Vereinten Nationen, eine exklusive Quelle,Top-secret-Informationen – bei diesem Cocktail läuft wohljedem Journalisten das Wasser im Mund zusammen. Doch die Sache hateinen Haken. Die erste Quelle muss anonym bleiben und eine zweite istnicht aufzutreiben. Nicht einmal das Beweismaterial soll erwähntwerden. Würden Sie die Geschichte trotzdem angehen? Hier die Storyhinter der Story:

Die Akten, die ich Anfang 2009 zu sehen bekam, waren schwereinzuschätzen. Sind sie brisant oder eher eine Fiktion, fragte ichmich. Was vor mir lag, war genug Stoff für einen gutenSpionagethriller. Der Schauplatz war unglaublich – der Sitz derVereinten Nationen (UNO) in Genf. An Akteuren mangelte es auch nicht.Nur die Hintermänner fehlten noch.

Abhörsysteme im Palais des Nations

Meine Ausgangsinformation lautete: Am 4. April 2006 waren zufälligzwei hochprofessionelle Abhörgeräte in zwei Sälen desPalais des Nations (Völkerbundpalast) entdeckt worden. EinGerät war in einer Wand versteckt, das andere hinter einerFensterbank im Nachbarsaal. Ein und dasselbe Stromnetz versorgte dieuntereinander verbundenen Apparate. Unter solchen Abhörsystemenmuss man sich hochsensible Elektronik (Rezeptoren, Antenne, Batterie)vorstellen, die in Holzstäben von 70 cm Länge, 5 cm Breiteund 3 cm Dicke eingebaut ist. Die Übertragung der Tonmitschnitteerfolgt nicht permanent, sondern in zeitlichen Abständen, wobeidie gespeicherten Informationen durch extrem kurze Sequenzen in einemsogenannten burst system gesendet werden. Diese Technik kann nichtgeortet werden. Die Kosten der gefundenen Anlagen samt Installationschätzen Experten auf etwa 200.000 Euro.

Weniger als ein Jahr später, am 11. Januar 2007, spürte einnach den ersten beiden Entdeckungen gebildetes Spezialistenteam desUN-Sicherheitsdienstes einen weiteren Spionageapparat auf, der als 2 cmdicker Riegel in einem kleinen Möbel versteckt worden war. Und am7. Juni desselben Jahres kam noch ein Gerät zum Vorschein. AlleAbhöranlagen waren in kleineren Beratungssälen installiert,die jenen großen Beratungssaal umgeben, in dem der ehemaligeVölkerbund seinen Sitz hatte. Seit 1979 wird dort dieAbrüstungskonferenz abgehalten.

Spionage-Vorgang soll vertuscht werden

Laut meiner Quelle – nennen wir sie H. – waren die Fundevon 2006 und 2007 nur einem sehr kleinen Personenkreis bekannt gemachtworden. Der gesamte Spionage-Vorgang wurde als top secret eingestuft.Von einer ähnlichen Affäre aus dem Jahr 2004 hatte die Presseebenfalls nur zufällig durch eine Indiskretion erfahren.

Während des ersten Gesprächs mit H. gab ich mich damitzufrieden, Stichpunkte aufzuschreiben, um die Anordnung der gefundenenObjekte zu skizzieren und die Antworten auf Plausibilitätabzugleichen. Ich sagte H. ganz offen, dass ich ihr nicht einfach allesglauben und kolportieren werde, sondern weitere Recherchen anstrenge.Dass ich sie wiedertreffen musste, war klar. Allein schon, um von ihrerwähnte Unterlagen einzusehen. Allerdings bestand H. darauf, alleKontakte über eine dritte Person unseres gemeinsamen Vertrauenslaufen zu lassen. Wir benutzen auch ein Codewort, um beispielsweiseTreffen zu vereinbaren.

Von nun an arbeitete ich mehr oder weniger unbewusst und parallel nachzwei Prämissen: Einerseits stellte ich die Hypothese auf, …

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