Frauen im Journalismus
Frauen vereinigt Euch!

Es ist sehr gut möglich, keine Kinder zu haben und trotzdem keine Karrie­re zu machen. Journalistinnen zwischen Emanzenverdacht, Augenaufschlag, Brutpflege und Lohndiskriminierung.

von Silke Burmester

Als Journalistin Karriere zu machen, ist ganz einfach: Man darf keine Kinder bekommen. Jedenfalls nicht solche, um die man sich zu kümmern braucht. Der Journalismus, ob in Form der Festanstellung oder des Freiendaseins, ist wie kaum ein anderer Beruf familien- und kinderfeindlich. In etlichen Ressorts von Tageszeitungen liegt der Redaktionsschluss nach 18 Uhr. Wer bei Zeitschriften vor 19 Uhr geht, gilt als minder engagiert, und wer im Onlinedienst arbeitet, muss sich mit fiesem Schichtdienst rumschlagen. Das gilt ebenso fürs Fernsehen und Radio, bei denen noch aufwändige Reportagen obendrauf kommen, deren Realisation auch nicht immer in die Stunden fällt, in denen die Brut in der Schule oder im Kindergarten ist.

Als Frau ist man also am besten old-school-lesbisch – also ohne Kinderwunsch – oder hat jemanden an der Seite, der den Kümmerpart übernimmt. Fifty-fifty zu machen ist schwierig – Karriere im Journalismus ist nichts, das halbe Sachen zulässt.

Natürlich kann man als Journalistin glücklich werden. Dann, wenn man a) auf einen tollen Aufstieg verzichtet oder b) es hinbekommt, als Mutter nicht sonderlich gefragt zu sein. Das ist nicht nur eine Frage der Organisation, sondern auch es aushalten zu können, nicht allzu viel mit seinen Kindern zu tun zu haben.

Trotz dessen, dass viele Frauen sich bewusst oder unbewusst gegen eine große Karriere entscheiden, wird der Beruf »weiblicher«, wie es heißt. Was bedeutet, dass zunehmend Frauen ihn ergreifen. Und dass sein Renommee sinkt. Die Gründe für den ersten Punkt sind vielseitig. Zum einen entdecken auch Männer, dass Kinder etwas Schönes sind, mit denen Zeit zu verbringen ein Gewinn ist. Was für den Arbeitgeber bedeutet, dass nun nicht mal mehr auf den Mann als anspruchsloses Arbeitstier Verlass ist. Es wird zunehmend egal, ob er Mann oder Frau beschäftigt, beide kommen mit so blöden Vorstellungen wie 60-Prozent-Stelle, Homeoffice und Elternzeit um die Ecke.

Unabhängig vom Geschlecht lässt sich im Journalismus zusehends auch weniger Geld verdienen. Honorare und Gehälter gehen runter, wodurch der Beruf für Männer weniger interessant wird. Und auch der Umstand, dass Frauen es zulassen, schlechter bezahlt zu werden als Männer, ist ein Anreiz für Arbeitgeber, Frauen einzustellen.

Also alles dufte, könnte man sagen. Das Berufsfeld öffnet sich.

Frauen fordern nur niedliche 30 Prozent

Und trotzdem müssen Frauen auf die Barrikaden gehen. Müssen in altfeministischer Manier Transparente hochhalten, auf denen sie ihre Beteiligung an der Gestaltung der Medien und ihrer Inhalte einfordern. Zur Verdeutlichung: 2014 wird das Grundgesetz 60 Jahre alt. In ihm ist festgeschrieben, dass Frauen und Männer das gleiche Recht auf Teilhabe an der gesellschaftlichen Gestaltung haben.

Wer aber macht die Zeitungen? Wer bestimmt, was in Radio, Fernsehen gesendet wird, was online läuft? Von 358 Chefredakteuren bei Tageszeitungen sind elf weiblich. 82 Prozent der Chefredakteure beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen sind Männer, online sind es 78 Prozent.

Es ist ja noch nicht einmal so, dass die Frauen, die jetzt aufmucken, fordern, dass die Hälfte der Bestimmer weiblich sein soll. Nein, sie fordern süße 30 Prozent. So bescheiden sind die Frauen, dass sie 60 Jahre, nachdem ihr Recht im Grundgesetz festgeschrieben wurde, darum bitten, dass doch wenigstens eine von drei Führungspersonen weiblich ist. Niedlich, gell?!

Die »Verweiblichung« des Journalismus

Nun sind die Weiber ja nicht blöd. 30 Prozent ist die kritische Größe. Ab 30 Prozent Frauen in Top-Führungspositionen ändern sich die Strukturen, mehr Frauen kommen nach. Und was passiert dann? Dann wird das Schreckensszenario Wirklichkeit, dass die Medienmänner wie eine Gespenstergeschichte an die Wand malen: Dann bricht sich die »Verweiblichung« des Journalismus Bahn.

»Verweiblichung des Journalismus« – das klingt schon mal beschissen. Es klingt nach Kulleraugen und Handcreme, nach Kinderschicksal und vielen Adjektiven. Kurz: abwertend. Und so ist es auch gemeint. Abwertend. Frauen machen den Beruf kaputt. So wie für die Seefahrer gilt, eine Frau an Bord bringt Unglück, bedeutet die »Verweiblichung« des Journalismus den Anfang vom Ende. Für die Männer.

Und sie haben recht. Das Bild des Journalisten als rauer, keine Gefahren scheuender Kerl mit Siebentagebart und Whiskyfahne, der mit abgefressenem Bleistift und offener Schutzweste durchs Kriegsgebiet streunt, der wochenlang für seine Reportage über Methköche unterwegs ist, sich nicht in der Redaktion meldet und am Ende eine fünfstellige Spesenliste mitsamt Puffbesuch zur Abrechnung einreicht, weicht dem des rundum gepamperten Weicheis mit Mutti-SMS-Flatrate. Was nicht die Schuld der Frauen ist.

Eine weibliche Sicht auf die Dinge

Und doch wollen wir – und ich sage als Mitglied des Machterkämpfungsvereins ProQuote bewusst »wir« – die Macht nicht ausschließlich um der Macht willen. Natürlich geht es beim Kampf um die 30 Prozent darum, Frauen in Machtpositionen zu bringen, weil bestimmen zu können super ist. Es geht aber auch um einen anderen Journalismus. Darum, dass Themen in die Medien kommen, die Frauen betreffen. Jenseits von Orchideen und Gedöns. Männer haben eine andere Sicht auf Dinge. Manches sehen sie gar nicht. Ich käme nie auf die Idee, über jemanden berichten zu wollen, der aus dem Weltall auf die Erde springt. Warum sollen Männer auf die Idee kommen, es über ungleiche Bezahlung zu tun? Über Themen, die ihre Position infrage stellen? Frauen machen mehr als 50 Prozent der Bevölkerung in Deutschland aus. Dennoch müssen sie es hinnehmen, dass Männer bestimmen, worüber berichtet wird. Themen, die die Situation von Frauen ebenso wie unsere Sicht- und Herangehensweise herausheben, bleiben auf der Strecke. Heldengeschichten sind noch immer Männergeschichten. Geschichte, Forschung, Wissenschaft sind in den Medien männlich besetzt. Die Leitartikel, die Kommentarspalten werden von Männern gefüllt. Die »Wahlarena« in der ARD wird von Penisträgern moderiert. Dass das Thema »Sexismus« und die Frage, was Frauen sich an Anzüglichkeiten gefallen lassen müssen, 2013 ein so großes werden konnte, ist ein Ergebnis des Hashtags »Aufschrei«, den die Bloggerin Anne Wizorek via Twitter in die Welt setzte. Das Internet ist aktuell das einzige Medium, das sich der männlichen Kontrolle entzieht. Es ist kein Zufall, dass Themen, die uns angehen, die uns im Kern betreffen, dann endlich die nötige Aufmerksamkeit bekommen, wenn Frauen die Möglichkeit haben, eine Öffentlichkeit zu erreichen, die nicht erst durch Männer freigegeben werden muss.

Bloß nicht als »Emanze« gelten

Ein Problem ist, dass vor allem junge Frauen Angst haben, als »Emanze« zu gelten, als »Feministin«. Auch da haben die männlich dominierten Medien ganze Arbeit geleistet und es geschafft, etwas, das selbstverständlich sein sollte – für die eigenen Rechte zu kämpfen – negativ zu besetzen und ein Bild von etwas zu zeichnen, das keine Frau sein will: verbissen und verbiestert. Schon keine, die etwas erreichen will.

Und so sind wir Frauen noch immer gefangen in der Situation, Männern gefallen zu wollen, um vorwärts zu kommen und nicht zu kapieren, dass man mit Fleiß und Augenaufschlag gegen ihre Männerbünde nicht ankommt. Kinder sind nur das eine, das einer Karriere im Journalismus entgegensteht. Falsche Einschätzung das andere.

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Kommentare

  1. stella sagt:

    sehr richtig! und so sicherlich auf verschiedenste job- aufgabenfelder uebertragbar. leider…

  2. Mark Lubkowitz sagt:

    Wieso wird gegen Schubladendenken eigentlich immer mit Schubladendenken vorgegangen und der Mann stets als Puffgeher oder Unterdrücker betrachtet? Das ist genau Sexismus oder fordert nur eventuell Gegner zu entsprechenden Kommentaren auf. Gerade Journalisten sollten in der Lage sein, eine ehrbare Streitkultur mit sinnvoller Argumentation aufzustellen.

    Und das Problem ist doch nicht, dass Gleichberechtigung gefordert wird, sondern gesetzlich geregelte Vorteile für Frauen. Mindestens 30 Prozent sollen Frauen sein, in Chefredaktionen, in Vorständen, wo auch immer. Wie wäre es mit einer Quote für Frauen und Männer? Mindestens 30 Prozent jedes Geschlechts müssen es dann sein. Das wäre die aus dem Grundgesetz geforderte Gleichberechtigung und es würde sich kaum noch einer aufregen. Außer die, die nicht auf Gleichberechtigung aus sind, sondern das eine dem anderen Geschlecht höher stellen wollen.

  3. Leserin sagt:

    Der Begriff „old-school-lesbisch“ ist übrigens auch abwertend und unpassend

  4. Gärtner sagt:

    Nicht jammern. Machen! Sonst wird das nix.