Russlands Steiniger Weg
Der harte Weg zur Freiheit

Neue Gesetze engen pressefreiheitliche Spielräume ein. Journalistenmorde bleiben unaufgeklärt. Trotzdem: Unabhängige Berichterstattung ist in Russland möglich und gewinnt immer mehr an Bedeutung.

von Moritz Gathmann

Wer die Lage von Journalisten in Russland anhand von Rankings beurteilt, dem müssen jedes Jahr aufs Neue die Haare zu Berge stehen. Auch 2013 scheint es wieder etwas schlimmer geworden zu sein: Hatte Russland 2012 noch auf Platz 142 gelegen, landete es in der »Rangliste der Pressefreiheit« dieses Mal auf Platz 148. Wer allerdings vor einem Moskauer Zeitungskiosk steht, fragt sich, wie solche Rankings zustandekommen. Die Vielfalt des Blätterwalds beeindruckt: »Russifizierte Magazine«, Ableger aus dem Westen, wie Forbes, GEO oder Computer Bild, gibt es ebenso wie Tabloids wie die Komsomolskaja Prawda, linientreue Zeitungen wie die Iswestija, Wirtschaftsblätter wie Vedomosti oder Kommersant und die kremlkritische Nowaja Gaseta, ganz zu schweigen von der Masse an unpolitischen Special-Interest- und Lifestyle-Magazinen.

Und es gibt ihn doch – auch in Russland

Russische Experten protestieren denn auch regelmäßig lautstark gegen das Ranking von Reporter ohne Grenzen. Für »Blödsinn« etwa hält es Pawel Gusjew, langjähriger Chefredakteur der unabhängigen Zeitung Moskowskij Komsomolez und Vorsitzender des Moskauer Journalistenverbandes. Die größten Probleme sind laut Gusjew dagegen die mangelhaften Finanzierungsmöglichkeiten unabhängiger Medien sowie die absolute Übermacht der staatlichen Medien: Gusjew zufolge sind 80 Prozent der Medien in staatlicher Hand. Eben diese Übermacht der staatlichen Medien, insbesondere im Bereich Fernsehen, ist jedoch entscheidend: Bis in den letzten Winkel des Landes sind nur die drei staatlich kontrollierten Sender 1. Kanal, Rossija und NTV zu empfangen. Insbesondere in den Städten verlieren sie allerdings Zuschauer und damit ihre Deutungshoheit, so medienwissenschaftliche Befunde von Dr. Svetlana Bodrunova und Dr. Anna Litvinenko. Und doch ist der Einfluss der Staatssender auf die 145 Millionen Russen ungebrochen. Die drei Sender, auf denen Kritik am Kreml höchstens in den späten Abendstunden zu sehen ist, teilen sich über 40 Prozent der russlandweiten Zuschauer. Der Rest entfällt auf Unterhaltungssender sowie das Regionalfernsehen, das allerdings bis auf wenige Ausnahmen ebenfalls staatlich kontrolliert ist.

Aber das russische Mediensystem ist reich an Anomalien. Eine davon ist der Sender Doschd (Regen), der seit 2010 im Internet und inzwischen auch über Kabel und Satellit sendet: Mit dem Beginn der großen Demonstrationen in Russland Ende 2011 entwickelte er sich zum wichtigsten Oppositionskanal – auch wenn der Sender sich selbst nicht so bezeichnen will. Doschd ist in seiner unkonventionellen, intelligenten Machart besonders populär in den Großstädten und in der jüngeren Altersgruppe, die sich vom Staatsfernsehen abgewendet hat. Neben Musik und Kultur bringt der Sender Live-Berichte von Demonstrationen und lädt politische Gegner jeder Couleur zu Diskussionen. Gleichzeitig wird er dabei von den staatlichen Behörden in Ruhe gelassen. »Vermutlich sieht der Staat in uns ähnlich wie in Echo Moskaus oder der Nowaja Gaseta ein Ventil, das in einem solchen System zum Ablassen des Drucks benötigt wird«, sagt der Chefproduzent des Senders, Renat Dawletgildejew […]

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