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Aus dem Netzwerk Recherche

Spendenfinanzierter Journalismus hat es hierzulande nicht leicht. Eine unklare Rechtslage verzögert die Anerkennung der Gemeinnützigkeit vieler Projekte. In den USA hilft man sich anders.

von Günter Bartsch

Vereine, die sich in Deutschland um die Förderung des Karnevals kümmern, können laut Paragraf 52 der Abgabenordnung als gemeinnützig anerkannt werden. Auch der Amateurfunk ist ausdrücklich erwähnt, ebenso Modellflug und Hundesport. Sogar dass Schach als Sport gilt – und damit ebenfalls die Steuerbegünstigung erlangen kann – wurde vom Gesetzgeber pflichtbewusst notiert.

»Aufwändige journalistische Recherchen zu Themen aus der Stadt Leipzig finanzieren und die Journalisten im Zuge der Recherche weiterbildend begleiten« – diese Ziele hat sich ein Verein auf die Fahnen geschrieben, der im Juni 2013 gegründet wurde: die Initiative Stadtjournalismus Leipzig. Man möchte meinen: Kein Zweifel, dass ein solches Vorhaben dem Gemeinwohl dient. Die Realität sieht anders aus, wie Stephan Schwardmann aus dem Vorstand der Initiative berichtet: In Vorgesprächen habe das Finanzamt deutlich gemacht, dass die finanzielle Rechercheförderung allein keine Chance habe, als gemeinnützig anerkannt zu werden.

Journalismus als Bildungseinrichtung

Doch warum tut sich das Finanzamt so schwer damit? Tatsächlich findet man in der Abgabenordnung nichts über Journalismus oder Recherche. Und eine Ableitung von Zwecken wie der im Gesetz erwähnten »Volks- und Berufsbildung« oder der »Förderung des demokratischen Staatswesens« wird von den Finanzbehörden bislang offenbar nicht akzeptiert. »Deshalb müssen gemeinnützige journalistische Organisationen bislang eine Art kleine Bildungseinrichtung sein«, erklärt der freie Journalist Daniel Drepper, der sich für die Anerkennung des gemeinnützigen Journalismus stark macht.

Für das Netzwerk Recherche ergeben sich daraus mehrere Arbeitsfelder. Erstens: die Analyse der steuerrechtlichen Situation und der praktischen Erfahrungen bereits bestehender Nonprofit-Redaktionen. Zweitens: die Beseitigung von Rechtsunsicherheiten. Dabei wird es unumgänglich sein, die Politik zu Konkretisierungen in der Abgabenordnung oder den Ausführungsbestimmungen der Finanzbehörden zu bewegen. Ziel muss sein, dass die Finanzbehörden vor Ort bestimmte Formen von Journalismus ohne Probleme als gemeinnützig anerkennen. Schließlich drittens: die konkrete Unterstützung von Neugründungen und bestehenden Redaktionen, die in gemeinnütziger Weise tätig sind oder sein wollen.

Ohne Verzögerung Spenden sammeln

In den USA sind in den vergangenen Jahren Dutzende gemeinnützige Journalismus-Initiativen gegründet worden. Das mithilfe mehrerer Stiftungen gegründete Investigative News Network (INN) vereint mehr als 80 solcher Organisationen. Neben verschiedenen Ratgebern auf der Website, etwa zum Thema Fundraising, bietet das INN Start-up-Mitgliedern ein sogenanntes »Fiscal Sponsorship« an. Es verleiht seinen eigenen Nonprofit-Status, damit die Organisationen ohne Verzögerung mit der Arbeit – und dem Spendensammeln – beginnen können. Auch Versicherungen, Rechtsberatung und Business-Trainings zählen zu den Angeboten des INN.

Eine der wichtigsten Aufgaben des Investigative News Network ist die Beratung bei der Anerkennung der Gemeinnützigkeit (und damit der Steuerbegünstigung). Laut INN-Geschäftsführer Kevin Davis ist dieser Status entscheidend für die Arbeit der Nonprofit-Redaktionen – aus zwei einfachen Gründen: Erstens signalisiere der Status »gemeinnützig« sowohl Spendern als auch Lesern, dass es sich um eine an einem höheren Ziel orientierte Organisation handelt, an der sich niemand bereichert. Zweitens würden Menschen erheblich dadurch zu Spenden motiviert, dass sie diese steuerlich geltend machen könnten.

Auch die US-Kollegen berichten von einigen Schwierigkeiten bei der Anerkennung der Gemeinnützigkeit – in manchen Fällen dauerte es drei Jahre lang. Denn auch in den USA ist die Rechtslage ungenau und von Journalismus im Steuergesetz keine Rede. Die Nonprofit-Redaktionen beziehen sich daher auf den im Gesetz erwähnten Bildungsbereich, Kevin Davis spricht von »educating the public to help inform a free and working democracy«. Die US-Steuerbehörde IRS habe das Verfahren in letzter Zeit beschleunigt – in der Regel würden die Organisationen nun innerhalb eines hal­ben Jahres die Anerkennung erhalten, sagt er.

Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Nonprofit-Netzwerk ist die Anerkennung der INN-Mitgliedschaftsbestimmungen. Diese Richtlinien verlangen zum Beispiel eine Offenlegung von Spenden über 1.000 US-Dollar – oder, wenn ein Spender anonym bleiben will, eine Erklärung der Redaktion darüber, dass die Spende keinen Einfluss auf die Inhalte hat.

Berechtigter Argwohn?

Ob gemeinnütziger Journalismus auch in Deutschland Erfolg haben wird, hängt vor allem davon ab, dass die Finanzbehörden diese Arbeit als gemeinnützig anerkennen. Dies zu erreichen, könnte durchaus Gegenwind provozieren. Wie profitorientierte Verlage auf eine drohende Nonprofit-Konkurrenz reagieren, lässt sich schwer vorhersagen.

In den USA erlebt Kevin Davis ganz unterschiedliche Formen des Umgangs miteinander. Während manche Verlage gern mit Nonprofits wie ProPublica zusammenarbeiten, lehnen andere die Zusammenarbeit kategorisch ab. Manche Redaktionen fürchten, damit eine Konkurrenz zu unterstützen, die zur Verschärfung des Personalabbaus im professionellen Journalismus beiträgt. Kevin Davis kann da nur den Kopf schütteln.

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