China
Rote Umschläge, schwarze Hände

China investiert in seine staatlichen Medien und richtet sieauf ein globales Publikum aus. Die Strategie stößt an dieGren-zen der Zen-sur: Im Westen haben sie einGlaubwürdigkeitsproblem.

von Falk Hartig

Katy Smith und Lisa Johnson sind genervt. Die beiden jungenJournalistinnen sitzen an einem Konferenztisch im dritten Stock derZentrale von Xinhua, der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur.Sie nehmen die Arbeit ihrer chinesischen Kollegen aus derzurücklie­genden Wo­che aus­einan­­der.»Wie oft haben wir erklärt, dass imVor­­­spann  keine blumigen Phrasenge­dro­schen wer­den?«, fragt Smith. Millererläutert offensichtlich zum wiederholten Mal, dass Personen nichtnur als »Herr Wang« oder »Frau Li«, sondern mitVor- und Nachnamen genannt werden.

Anpassung an westliche Standards

Die beiden US-Amerikanerinnen sind Teil einer Gruppe englischerMuttersprachler, die in der Abteilung »Chinesische Nachrichtenfür das Ausland« bei Xinhua nicht nur die englischen Texteder chinesischen Journalisten sprachlich »polieren«,sondern auch an westliche Nachrichtenstandards anpassen sollen. Dochoft ist das gar nicht nötig. Smith krönt soeben den Artikelder Woche: »Lin hat eine sehr gute Geschichte über dasGrubenunglück geschrieben. Sie hat die Fakten des Lokalreportersgecheckt und verbessert, hat ihn beauftragt, Stellungnahmen von lokalenBehörden einzuholen und hat hier in Peking Experten befragt– eine runde Geschichte, sehr gut geschrieben, klasse!« Aber nicht alle Beiträge überzeugen die ausländischenExperten. Ohne Feingefühl für die Gepflogenheiten in Chinaerklärt Smith zwei jungen Chinesinnen vor versammelter Mannschaft,dass ihre Geschichten nichts taugten. »Mit einer drei Tage altenMeldung ohne Nachrichtenwert, die noch dazu aus einer Lokalzeitungabgeschrieben ist, erreicht ihr niemals ein internationalesPublikum«, fasst sie leicht resigniert zusammen.

Massive Investitionen

Doch das ist neuerdings eine zentrale Aufgabe der chinesischenStaatsmedien. Vor zwei Jahren erklärte Li Changchun, die Nummer 5in der Parteihierarchie und zuständig für Propaganda, ineiner Rede zum 50. Gründungstag des Staatssenders CCTV, dassKom­munikationskompetenz über Einfluss entscheide. Heutzutage,so Li, »hat jener Staat die größte Macht, dessenKommunikationsmethoden die modernsten sind und dessen Kommunikation amstärksten ist«.

Deshalb hat Peking seit 2009 rund 8,7 Milliarden US Dollar vor allem indie vier großen Medienbetriebe investiert: die staatlicheNachrichtenagentur Xinhua, den Fernsehsender CCTV, den Radiosender CRIund die englischsprachige China Daily. Die Tageszeitung hat seit Anfang2009 eine eigene US-Ausgabe und veröffentlicht seit dem 3.Dezember 2010 eine europäische Wochenausgabe. Im Juli 2009startete CCTV sein arabischsprachiges Programm und sendet nun ininsgesamt fünf Fremdsprachen (auch in Englisch, Russisch, Spanischund Französisch). Darüber können die Kollegen von CRIsicher nur lachen; sie senden in 43 Fremdsprachen und Dialekten. 

Die jüngste Offensive der chinesischen Regierung war dieInbetriebnahme des englischsprachigen Fernsehsenders China Xinhua NewsNetwork Corporation (CNC) im Juli 2010. Der zu Xinhua gehörendeNachrichtenkanal sendet rund um die Uhr und soll, soXinhua-Präsident Li Congjun, bei der offiziellen Vorstellung»einen internationalen Blick auf die Welt aus chinesischer Sichtpräsentieren«.

Günstige Angebote im Interesse des Staates

Xinhua hat weltweit rund 400 Korrespondenten in 117 Büros. Bis2020 sollen es bis zu 180 Außenposten werden. Derzeit bedient dieAgentur rund 80.000 Kunden. Besonders erfolgreich ist Xinhua inEntwicklungsländern, weil die Agentur ihre Dienste wesentlichgünstiger als die westlichen Konkurrenten anbietet. Einem Berichtdes amerikanischen Nachrichtenmagazins Newsweek zufolge liegen dieKosten für ein Komplettpaket der Xinhua-Angebote im unterenfünfstelligen Dollar-Bereich. Ähnliche Angebote von AP,Reuters oder AFP kosten demnach mindestens einen niedrigensechsstelligen Betrag. Können Kunden gar nicht bezahlen, dannbiete Xinhua Inhalte, Ausrüstung und technische Unterstützungauch gratis an.Auf der Südhalb­kugel reüssiert Xin­hua damit, imWesten gibt es allerdings ein eklatantes Problem: Hier werden dieStaatsmedien als Propaganda­instrumente der Kommunistischen ParteiChi­nas (KPCh) wahrgenommen. Den Propagandavorwurf weist Cui Jizhe,ehemals einer der Vizepräsidenten Xinhuas, natürlichzurück. Die Nähe zur Regierung leugnet er jedoch keineswegs:»Xinhua ist keine private Nachrichtenagentur. Sie gehört demStaat. Also arbeiten wir im Interesse des Staates.« Das beginnebei der Berichterstattung über Gesetzesänderungen undÄhnliches. »Andererseits ist Xinhua natürlich einMedienunternehmen und muss mit den Entwicklungen im MedienbereichSchritt halten«, sagt Cui.

Ideologisch imprägniert

Die enge Beziehung zur Führung ist ein Merkmal chinesischerMedien. …

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